Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die Jungfrau am See

In der Gegend von Berchtesgaden lebte einmal ein Jägersbursche. Der war von Salzburg gebürtig, hernach, da seine Eltern frühzeitig gestorben waren, bei einem Jäger in Dienst aufgenommen worden. Da hatte er des Mannes schönes Töchterlein kennengelernt, und die beiden hatten sich liebgewonnen. Auf einmal starb der Alte, da mußte der Bursche weiterziehen, weil man keinen Gesellen mehr brauchte, wo kein Jäger war; auch war er arm und konnte nicht im Ernst daran denken, die Hand der reichen Dirne zu erhalten. Mit schwerem Herzen verließ er das Haus und zog in die Wildnis der Berchtesgadener Wälder und baute sich ein Hüttlein am Fuß des Priestersteins, da, wo sich jetzt der Sommerbau der alten Residenz der Fürstpröpste befindet.

Es war ein Jahr vergangen, als er einmal in Gedanken vertieft vor seiner Hütte saß. Da schlugen plötzlich die Hunde an, sie witterten die Nähe eines Edelwilds. Unser Jägersbursch machte sich auf, verfolgte die Spur des Wilds und entfernte sich weiter und immer weiter von seiner Hütte. So gelangte er zum ersten Mal an die Ufer des Königssees. Da setzte er sich auf einen Stein am Ufer und ergötzte sich an dem Anblick des tiefblauen, schönen Gewässers.

Während er so dasaß, kam auf einmal ein wunderschöner Schwan auf ihn zugeschwommen. Eh er sich's versah, tauchte der Schwan unter, und in demselben Augenblick stand eine holde, liebreizende Jungfrau vor den Blicken des erstaunten Jägers. Die Jungfrau grüßte ihn freundlich und fragte, was ihm denn fehle. Der Bursche eröffnete ihr sein Anliegen wegen der schönen Tochter des verstorbenen Jägers, die er nun habe verlassen müssen.

Die Fee sprach ihm guten Mut zu, es werde sich schon helfen lassen. Sie sei die Dienerin eines mächtigen Königs, der in der Tiefe dieses Gewässers throne, er solle ihr folgen und zu großen Schätzen geführt werden. Darauf geleitete die Jungfrau den folgsamen Jüngling in verborgene Schluchten und Höhlen und zeigte ihm die Goldschätze des Gebirges. Sie gebot ihm, davon zu nehmen, soviel er begehrte.

Das ließ sich der Jäger nicht zweimal sagen; er griff mit vollen Händen zu und machte seine Taschen voll des gediegensten Goldes. Darauf führte ihn die Jungfrau an die Stelle zurück, wo sie ihn gefunden hatte, und als er sich nun bei ihr bedanken wollte, war sie verschwunden, aber der schneeweiße Schwan durchschnitt wieder ruhig und majestätisch die spiegelglatte Fläche des Wassers.

Nun war das erste, was der glückliche Bursche tat, zu seiner Geliebten eilen und ihr sein Herz und seine Hand antragen. Sie wurden durch das Band der Ehe vereint und lebten eine Zeitlang im Genuß aller irdischen Seligkeit als wahrhaft glückliche und zufriedene Menschen.

Aber es blieb nicht immer so. Der Überglückliche wurde nach und nach übermütig, vertat sein Gold in allerhand Lustbarkeiten und suchte anderwärts als im Kreis seiner Familie Vergnügen. So kam er endlich in großes Elend. Da gingen ihm die Augen auf. Weinend saß er nun oft an der Stelle, wo er zuerst die hilfreiche Jungfrau gesehen hatte.

Eines Abends erschien sie wieder. Noch einmal sollte dem Jäger geholfen werden, aber diesmal führte sie ihn nicht zu den Goldschätzen, sondern entdeckte ihm die Salzlager des Gebirges. Da sollte er schürfen als fleißiger Bergmann, und sein Reichtum werde nie mehr versiegen.

So geschah es auch. Das Salz blieb eine ergiebige Quelle des Glücks für ihn und seine Nachkommen.

Einige sagen, der Mann habe Berthold geheißen, und seine Söhne hätten nach ihm den Ort Berchtoldsgaden genannt.

 


 


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