Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Der Möringer (2)

Von K. Simrock.

                  Wollt ihr hören neue Mär,
Die sich begab – ich weiß nicht wann –,
Von dem edlen Möringer,
Wie er zu seiner Fraun begann,
Als er ihr nachts zur Seite lag?
Er umfing die zarte Fraue sein,
Des Freudenspiels er mit ihr pflag.

Da sprach er: »Herzeliebe Fraun,
Vernehmt die Rede mein fürwahr:
Aller Ehren ich Euch getraun,
Wollt Ihr mein harren sieben Jahr?
Abenteur sind mir bekannt;
Nun gebt mir Urlaub, zarte Frau,
Dann will ich in St. Thomas' Land!«

Da sprach die Frau gar trauriglich –
Sehr betrübt war ihr der Mut
»Edler Herr, bescheidet mich,
Wem befehlt Ihr Euer Gut?
Das sagt mir um den Willen mein.
Wem befehlt Ihr Land und Leut'?
Wer soll mein treuer Pfleger sein?«

»Das befehl' ich, edle Fraue hehr,
Manchem werten Dienstmann mein,
Die von Euch haben Gut und Ehr':
Die sollen Euch ergeben sein,
In allen Treuen untertan.
Nun gebt mir Urlaub, zarte Frau,
Daß ich die Fahrt vollbringen kann.

Von Treue will ich Euch nicht wanken,
Herzenliebe Fraue zart,
Habt Euch in göttlichen Gedanken,
Da ich bin auf der Gottesfahrt.
Da ich Euch dies hab' angelobt,
So gebt mir Urlaub, zarte Frau,
Es wird Euch sicherlich erprobt.

Gesegne Gott Euch, edle Fraue,
In also tugendlichem Mut;
Aller Ehren ich Euch getraue,
Gott hab' Euch selber in der Hut
Und woll' uns auch behilflich sein.
St. Thomas, der vieledle Herr,
Lass' seinen Schutz Euch angedeih'n.«

Da der edle Möringer
Des Morgens aus dem Bette ging,
Da begegnet' ihm sein Kämmerer,
Von dem er das Gewand empfing.
Ein Wasserbecken bracht' er dar;
Das nahm er auf die weiße Hand
Und wusch die lichten Augen klar.

»Hör, Kämmerer, mein traut Gesind,
Du allerliebster Diener mein,
Ob ich die Tugend an dir find,
Daß du mir pflegst die Fraue mein;
Die befehl' ich dir auf sieben Jahr.
Komm ich wieder heim zu Land,
So wird dir reicher Lohn fürwahr.«

Da sprach der Kämmrer tugendlich:
»Edler Herr, mich deuchte gut,
Ihr bliebt daheim; denn sicherlich
Die Frauen haben kurzen Mut.
Vernehmet recht, was ich Euch sage:
Euer Frauen Hüter möcht' ich sein
Länger nicht denn sieben Tage.«

Da dem edlen Möringer
Die fremde Rede ward bekannt,
Er ging mit trauriger Gebär',
Bis er den jungen Neifen fand.
Als er den Junker vor sich sah,
Zu ihm der edle Möringer
Gar züchtiglich begann er da.

Da sprach er: »Junger Herr von Neifen,
Ihr allerliebster Diener mein,
Nichts mag Eurer Tugend gleichen;
So pfleget Ihr der Fraue mein.
Ich befehle sie Euch an,
Wie Gott befahl die liebe Mutter
Am Kreuz dem Herren St. Johann.«

Da dem jungen Herrn von Neifen
Das Abenteuer ward bekannt:
»All Eure Sorge lasset schleifen
Und ziehet in St. Thomas' Land.
Ich gelob' Euch das fürwahr:
Eurer Frauen will ich pflegen,
Und bliebt Ihr außen dreißig Jahr.«

Da dem edlen Möringer
Die gute Rede ward bekannt,
Ihm war das Herz nicht mehr so schwer;
Hin zog er nach St. Thomas' Land.
Die Märe sagt uns das fürwahr,
Daß der edle Möringer
Ausblieb volle sieben Jahr.

Da der edle Möringer
In einem Garten lag und schlief,
Dem Ritter träumte also schwer
Wie ihn ein Engel weckt' und rief:
»Erwache, Möringer, es ist Zeit;
Kommst du heut nicht heim zu Land,
Der junge Neifen nimmt dein Weib.«

Da rauft der edle Möringer
Vor Leid sich aus den grauen Bart:
»Mir ist von Leid das Herz so schwer:
Ach Gott, daß ich geboren ward!
Soll ich so geschieden sein
Von Land und auch von Leuten,
So reuet mich die Fraue mein!«

Er sprach: »St. Thomas, edler Herr,
Dir will ich klagen dieses Leid,
Daß die mich scheiden will von Ehr',
Die ich gebracht zu Würdigkeit.
Im Elend bin ich armer Mann,
So ferne hier im fremden Land;
Gott ist's allein, der helfen kann.«

Da der edle Möringer
Noch empor zu Gotte rief,
Ihm war das Herz von Leid so schwer,
Im Leid er wiederum entschied.
Daheim erwachend wußte das
Noch nicht der edle Möringer,
Daß er vor seiner Mühle saß.

»Marien Dank und ihrem Kind!
Die mir geholfen haben her,
Daß ich mein' Mühle wiederfind'
So schnell nach wunschlichem Begehr.«
Doch war er ein betrübter Mann,
Als er in seine Mühle ging
Und niemand ihn erkennen kann.

Da sprach er: »Müller, traut Gesind,
Weißt auf der Burg nicht neuer Mär?
Wenn ich die Tugend an dir find,
Ich armer Pilger über Meer.« –
»Abenteuer weiß ich viel,
Wie des edlen Möringers Weib
Den Neifen heute nehmen will.

Man spricht, der edle Möringer,
Der sei in fremden Landen tot.
Das Leid, das ist mir allzuschwer,
Gott helf ihm noch aus aller Not.
Gott gnad' dem lieben Herren mein,
Von dem ich Ehre hab' und Gut,
Gott tröst' die liebe Seele sein.«

Da sprach der edle Möringer –
Er war ein gar betrübter Mann –:
»Nun hilf mir, Gott, du halfst mir her,
Und rate mir, wie greif ich's an,
Daß ich zu meinen Burgen käm'
Und von diesem Hofgesind
Am Leben keinen Schaden nähm'.«

Da ging der edle Möringer
Vor seiner eignen Feste Tor.
Er klopfet an, er klopft so sehr;
Der Torwart sprach: »Wer ist davor?« –
»Held, nun sag der Fraue dein,
Ein Pilger steh' hier vor der Burg,
Ein armer Pilger woll' herein.

Nun bin ich doch heut fern gegangen,
Daß ich müde worden bin.
Tu's um Gott, und säum nicht lange,
Denn in die Burg steht all mein Sinn.
Um ein Almosen bitt' ich sehr
Um Gott und um St. Thomas' willen
Und um den edlen Möringer.«

Der Torwart tat, wie er gebot;
Ein ging er zu der Frauen sein.
Er sprach: »Erbarmt Euch, Frau, der Not,
Laßt einen armen Pilger ein.
Um ein Almosen bitt' er sehr
Um Gott und um St. Thomas' willen
Und um den edlen Möringer.«

Da das die edle Frau vernahm,
Ein armer Pilger steh' davor,
Sie war den Pilgern nimmer gram;
Sie sprach: »So schließt ihm auf das Tor.
Almosen gönn' ich ihm fürwahr;
Um Gott und um St. Thomas' willen
Gönn' ich's ihm gern das ganze Jahr.«

Der Torwart tat der Frau Begehr,
Hin schied er von der Herrin sein.
Da ward der edle Möringer
In seine Burg gelassen ein.
»Ich danke dir, Herr Jesu Christ,
Deiner Mild' und deiner Güte,
Daß meine Burg mir offen ist.«

Da der edle Möringer
In seine eigne Burg einging,
Es war ihm leid von Herzen sehr,
Daß niemand ihn darin empfing.
Er setzte sich auf eine Bank;
Wie da dem edlen Möringer
Eine kleine Weile ward zu lang!

Nun naht' es sich der Abendstund,
Zu Bette sollte gehn die Braut;
Er war den Herren noch nicht kund;
Da sprach der beste Dienstmann laut:
»So hielt es sonst der Möringer:
Es schlief kein Gast auf seiner Burg,
Er sang ein Hoflied ihm vorher.«

Der Junker hörte das von Neifen,
Der da Bräut'gam sollte sein.
»Hört auf mit Lauten und mit Pfeifen;
Herr Gast, singt mir ein Liedelein.
Wenn es den Leuten wohlgefällt,
Das gelob' ich sicherlich,
Ich begab' Euch reich mit Gut und Geld.« –

»Zu schweigen hatt' ich mich bedacht,
Doch sing' ich wieder, wie ich sang;
Ein Weib hat mich dazu gebracht,
Den Frauen folg' ich lebenslang.
So bitt' ich dich, du junger Mann,
Räch mich an der alten Braut,
Greif ihr die Haut mit Reisern an.

Ward ich in ihren Diensten alt,
Blieb sie inzwischen auch kein Kind;
Mein Bart ist grau und so gestalt,
Daß sie auf einen jüngern sinnt.
Sonst war ich Herr, nun bin ich Knecht;
Drum ward auf dieser Hochzeit mir
Eine alte Schüssel auch gerecht.«

Da das die edle Frau vernahm,
Ihr trübten sich die Augen klar,
Von Gold sie einen Becher nahm
Und setzt' ihn diesem Pilger dar.
Drein schenkte man den klaren Wein,
In den der edle Möringer
Von Golde senkt' ein Ringelein.

Das zog er ab von seiner Hand,
Es war so lauter und so klar,
All sein Leid ihm da verschwand;
Was ich euch sage, das ist wahr.
Er warf es auf des Bechers Grund,
Mit dem sein allerliebst Gemahl
Ihm festigte den Ehebund.

»Trauter Weinschenk«, sprach der Gast,
»Du allerliebster Diener mein,
Wenn du mir holden Willen hast,
So trage dies der Herrin dein.
Dafür gelob' ich sicherlich:
Wenn meine Sachen besser stehn,
Zum reichen Manne mach' ich dich.«

Da sprach der Weinschenk tugendsam:
»Ja, liebster Pilger, gleich zur Hand!«
Den Becher mit dem Ring er nahm,
Gab ihn der Herrin in die Hand.
»Liebste Herrin«, sprach der Schenk,
»Lasset dies Euch nicht verschmähn,
Euch schickt's der Pilger zum Geschenk.«

Da des edlen Ritters Frau
Das Ringelein im Becher sah,
Sie begann es näher zu beschaun,
Betroffen sprach die Gute da:
»Mein Herr, der Möringer ist hie.«
Auf stand die Frau gar züchtiglich
Und fiel vor ihm auf ihre Knie.

»Seid mir willkommen, liebster Herr,
Ihr seid noch alles Leides voll.
Wo bliebet Ihr so lange fern?
Nun sollt Ihr Euch gehaben wohl.
Laßt Euer sehnlich Trauern sein,
Und verseht euch keines Leides;
Hab' ich doch noch die Ehre mein.

Die Ehre halt' ich also fest,
Edler Herr, gar ohne Wank;
Das dünket mich das Allerbest,
Des sag' ich Gott im Himmel Dank.
Wenn ich Euch untreu worden bin,
Mein ehelich Gelübde brach,
Vermauern laßt mich immerhin.«

Da dem jungen Herrn von Neifen
Dies Abenteuer ward bekannt,
All seine Feinde ließ er schweifen
Und trat vor seinen Herrn zuhand:
»Herre, liebster Herre mein,
Gebrochen hab' ich Treu und Eid,
Das Leben büß' ich billig ein.«

Da sprach der edle Möringer:
»Herr von Neifen, es soll nicht sein,
Betrübt Euch drum nicht allzusehr
Und nehmt für Euch die Tochter mein;
Mir überlaßt die alte Braut,
Mit der kann ich mich wohl berichten
Ich gerb' ihr selber schon die Haut.«

 


 


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