Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Das Lorettokirchlein bei Burgau

Neben dem Schloßberg erhebt sich in gleicher Richtung der Lorettoberg, auf dem ein kleines Kirchlein steht, das still und anmutig auf die blühenden Fluren des Mindeltals herabsieht. Gern flüchten sich aus dem Treiben der Welt fromme Betende dorthin, und es knüpft sich an das Kirchlein eine jener ergreifenden Sagen, wie sie nur dem kindlichen Gemüt eines noch unverdorbenen Volkes entsprießen können.

Still und friedlich lebte Agnes, die Gattin eines Herrn von Burgau, auf ihrem Schloß; doch wie groß war ihr Schmerz, als ein kaiserlicher Befehl ihn an den Hof rief. Ihre trüben Ahnungen gingen auch bald in Erfüllung, denn die Feinde ihres Gemahls erstiegen mit Hilfe eines Verräters in finstrer Nacht das Schloß, und bald erfüllten Geräusch der Waffen, Weherufe der Sterbenden und das Siegrufen der Eindringlinge die kurz vorher so friedliche Wohnung.

Vor Schrecken fiel Agnes in Ohnmacht, aus der sie in einem finsteren Kerker im Lorettoberg wieder erwachte. Inbrünstig betete sie zu Gott und ergab sich in seinen heiligsten Willen. Von inniger Verehrung gegen die Gottesmutter durchdrungen, bat sie ihren Kerkermeister nur um ein Bildnis der Gebenedeiten. Doch in rohem Spott gab man ihr zur Antwort, sie sollte nur aus einem Holzscheit ein solches machen, worauf sie, vertrauend, daß dem frommen Glauben kein Werk unmöglich sei, nur ein Werkzeug hierzu verlangte. Höhnisch reichte man ihr eine rostige Messerklinge mit dem Bedeuten, wenn sie damit etwas zustande bringe, sollte sie alsbald in Freiheit gesetzt werden.

Allein dies war unmöglich, und in fruchtlosem Bemühen schlief Agnes endlich ermattet ein. Da erfüllte plötzlich, wie die Schlummernde dünkte, himmlischer Glanz den düsteren Kerker; sie erblickte die Muttergottes vor sich, die sprach: »Dein Vertrauen zu mir sei nicht unbelohnt. Hier sind drei Bilder von mir, baue ein Kirchlein über deinem Kerker und bringe das eine dieser Bilder hinein, das andere sende nach Rom, aber das dritte nach Paris. Vertraue meinem Schutz fernerhin.«

Als nun am Morgen die Feinde Agnes' kamen, um Spott mit ihr zu treiben, zeigte sie ihnen hochbegeistert und wundersam gestärkt die drei Bilder, die sie erwachend an ihrem Lager gefunden hatte. Grauen und Entsetzen faßte die Bösewichte, und achtungsvoll führten sie die Gräfin aus dem Kerker in jene Gemächer der Burg, die sie früher bewohnt hatte. Sie ergriff die erste sich darbietende Gelegenheit zu entfliehen und war schon bis zum Dorf Röfingen gekommen, als sie vermißt und auch gleich mit wütender Hast verfolgt wurde. Aber siehe – da schwärzte sich mit einem Mal der heitere Himmel, und es erhob sich mitten im heißen Augustmonat ein so furchtbares Schneegestöber, daß jede Verfolgung unmöglich war.

Agnes kam in Sicherheit und fand bald ihren Gemahl wieder, der in kurzer Zeit das Schloß wiedereroberte und wie im Triumph seine fromme Gemahlin dorthin zurückführte. Und nicht lange stand es an, da erhob sich auf der Anhöhe neben dem Schloß ein Kirchlein, in dem wie im stolzen Paris und im weltherrschenden Rom die Gnadenbilder der Gottesmutter vielen Tausenden Trost und Hoffnung einflößten.

 


 


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