Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Das Herrgottsruh-Klösterle

Von Isabella Braun.

1.

                Hell tönt des Hammers lauter Schall;
Den müssen junge Arme schwingen!
Vom Amboß rote Gluten springen,
Und weit erklingt der Widerhall.
Drein mischet sich ein klarer Sang,
Ein Liebeslied aus alten Tagen;
Bald tönet weich und froh der Klang,
Und bald verweben drein sich Klagen.

Der Luitfried ist's, der Waffenschmied,
Des Herz gleich wie das Eisen glühet
Und liebend klopft und Funken sprühet
Und widerhallt im Minnelied.
Hans Vollraths schönes Töchterlein,
Das holde Klärchen froh und sinnig,
Hat angefacht im Herzen sein
Dies Liebesfeuer treu und innig.

Wohl flüsterten manch Liebeswort
Der Jungfrau zarte Rosenlippen
Und riefen in des Lebens Klippen
Gott an als treuen Schutz und Hort;
Doch in des Herzens Tiefe drin,
Da regte sich ein ängstlich Beben,
Ob wohl des Vaters stolzer Sinn
Auch werde seinen Segen geben.

Denn arm war Luitfried – frischer Mut,
Ein braves Herz und starke Hände
Und seiner Werkstatt graue Wände,
Das war allein sein einzig Gut.
Hans Vollrath aber, reich an Gold,
Ein Ratsherr voller Bürgerehren,
Stolz auf sein Töchterlein so hold,
Mocht' andern Eidam wohl begehren.

Das wußte Luitfried; und so quoll
Manch Schmerzenslaut in seine Lieder,
Und grimmig sank der Hammer nieder,
Wenn ihm der Zorn der Seele schwoll.
Er sah des holden Klärchens Bild
In jedem blanken Helm und Schwerte,
In jedem spiegelklaren Schild,
Daß heiß sein Herz nach ihr begehrte.

Da wirft er weg die Waffen weit,
Wirft weg den schweren Eisenhammer,
Eilt raschen Tritts in seine Kammer
Und zieht hervor sein bestes Kleid.
So schreitet festlich angetan
Der schmucke Jüngling durch die Straßen
Und klopft an Vollraths Türe an –
Nun will die Wange fast erblassen!

»Nur Mut gefaßt, mein junges Herz!
Du mußt die kühne Bitte wagen.
Hör auf, so heftig doch zu schlagen,
Heb dich noch einmal himmelwärts!«
So spricht zu seines Herzens Pein
Er mutig, stark und gottergeben,
Tritt dann zu Liebchens Vater ein
In Ehrfurcht, aber ohne Beben.

Voll tiefer Demut neigt er sich
Und spricht in flehend weichem Tone:
»Herr Vollrath, nehmt mich an zum Sohne,
Denn Euer Klärchen liebet mich,
Und ich – oh Leben, Leib und Blut
Und was ich bin und was ich habe,
Hab' ich in treuer Herzensglut
Ihr längst geweiht als Liebesgabe.

Arm bin ich – aber meine Hand
Kann kräftig ja den Hammer schwingen,
Kann Hab und Gut und Gold erringen
Und Schmuck und Zier und eitlen Tand.
Doch meine Lieb' soll ihren Weg
Mit tausend Freudenblumen schmücken;
Und Kindeslieb' und Kindespfleg'
Soll Euch als heißer Dank beglücken.

Blickt finster nicht! Blickt mild und klar!
Laßt Euch als meinen Vater grüßen,
Laßt knieen mich zu Euren Füßen,
Reicht mir die Vaterhände dar.
O gebt mir Euer holdes Kind
Zum Heil auf meinen Lebenswegen!
Die Herzen längst vereinet sind,
Nur harrend auf den Vatersegen.«

Der Jüngling schweigt. – Kein einz'ger Laut
Ertönet in dem weiten Saale.
Da, von der Hoffnung warmem Strahle
Des jungen Luitfrieds Seele taut.
Nun öffnet leise sich die Wand,
Hold Klärchen glitt in ihre Mitte
Und faßt des Vaters kalte Hand
Mit einer stummen Liebesbitte.

Da ist's, als ob aus Geistesbann
Hans Vollrath plötzlich sei entbunden,
Die Lippe nun das Wort gefunden
Und Arm und Fuß sich regen kann.
Denn Staunen ob dem kecken Mut
Und Grimm, ob solchem kecken Wagen
Und eine brause Zornesflut –
Ließ ihn bis jetzt kein Wörtlein sagen.

Nun aber, da sein eigen Kind
Mit Luitfried kniet vor seinem Sitze,
Da sprüht sein Auge Zornesblitze;
Vom Stuhle springt er auf geschwind,
Er stößt von sich mit starker Faust
Sein Kind in dieser bangen Stunde,
Und wie ein wilder Donner braust
Nun Wort um Wort von seinem Munde.

»Hinweg, hinweg! – Ein Bettler du
Und ohne Namen, ohne Ehren,
Willst eine Perle gar begehren
Und meinst, ich lächle freudig zu?
Fürwahr, geduldig war mein Ohr
Zu lange wohl für deine Worte;
Hinweg von mir, du eitler Tor!
Hinweg aus dieses Hauses Pforte!«

»Halt ein, Herr Vollrath! Haltet ein!
Leb, Klärchen, wohl! – Es heißt geschieden;
Es heißt auf ewig nun gemieden!
Doch dieses Herz bleibt ewig dein!
Leb wohl, du teure Vaterstadt!
Leb wohl! Auf Nimmerwiedersehen!
Der Luitfried keine Heimat hat;
Muß um den Tod zu werben gehen.«

Er stürzt hinaus. – Bleich Klärchen sinkt
Vor ihrem harten Vater nieder;
Durch die geschloss'nen Augenlider
Sich glühend Trän' um Träne ringt.
Hans Vollrath bebt, Hans Vollrath schaut;
Was mag sein Herz da drinnen sagen?
Ich glaube gar, dem Alten graut
Bei seines Kindes Tränenklagen.

Jung Luitfried aber eilt nach Haus,
Schließt ein sich in der Werkstatt Mauern;
Hier sucht er in der Seele Trauern
Sich nichts als eine Waffe aus. –
Und wie das erste Morgengrau
Verscheucht die hellen, klaren Sterne,
Da zieht er durch die Heimatau
Hinaus, hinaus in blut'ge Ferne.

 
2.

        Horch! Glockenklang vom Turme
Des Klösterleins erschallt!
Sieh, eine Menschenmenge
Dahin neugierig wallt;
Und Blumen und Gewinde
Umschlinget Tor und Stein,
Als sollt' in diesen Mauern
Gar eine Hochzeit sein.

Das Glöcklein ist verstummet,
Es reget sich kein Laut;
Die dichtgedrängte Menge
Erwartend lauscht und schaut.
Da tun sich auf die Tore,
Es wallt ein Zug heran,
Den aber führt ein Priester
Im Kirchenschmucke an.

Ihm folgen in dem Zuge
Jungfräulein sittig, zart,
Als wie in einem Kranze
Um eine hold geschart;
Wie eine weiße Rose
Glänzt ihrer Wangen Paar,
Und weiße Röslein kränzen
Ihr bräutlich auch das Haar.

Den Festeszug begleitet
Ein Ratsherr, reich geschmückt;
Doch aus dem düstern Auge
Kein Freudenschimmer blickt;
Es ist, als ob zum Grabe
Er führe nun sein Kind,
Nicht in des Kirchleins Hallen
Voll bräutlichem Gewind.

Doch ach, der Jungfrau folget
Kein Jüngling luftbewegt,
Dem in der schönen Stunde
Das Herz in Wonne schlägt.
Ein Zug von schwarzen Nonnen
Begleitet nur die Braut,
Daß es im weiten Kreise
Jedwedem Herzen graut.

Sie stehen am Altare,
Die Jungfrau tritt hervor;
Sie nimmt von ihrem Haupte
Des Kranzes Blumenflor;
Sie legt ihn auf die Stufen
Des festlichen Altars;
Sie schneidet ab die Flechten
Des langen blonden Haars.

Es senkt sich ihre Stirne
So schönen Schmucks beraubt;
Ein dichter, schwarzer Schleier
Umhüllet nun das Haupt;
Und um die blendendweiße,
Die liebliche Gestalt
Ein rauher, schwarzer Mantel
In weiten Falten wallt.

Nun sinkt sie auf die Knie –
Tönt nicht ein leises Ach? –
Der Priester liest die Formel,
Sie spricht die Worte nach.
Halt ein, halt ein zu sprechen,
Den furchtbar schweren Eid!
O schließe deine Lippen
Du junge, zarte Maid!

Das Wort ist ausgesprochen,
Das Opfer ist erfüllt;
Aus manchem jungen Auge
Ein Mitleidstränlein quillt;
Selbst aus der Jungfrau Herzen
Stiehlt sich ein Seufzer bang,
Drein schallen heil'ge Hymnen
In feierlichem Sang.

Und wieder tönen Glocken,
So festlich und so rein;
Der Zug verläßt die Kirche
Und wallt zum Klösterlein;
Die Braut in dunklem Kleide,
Und nicht zum Hochzeitstanz;
Von Nonnen dicht umgeben,
Nicht von der Mädchen Kranz.

Und heimwärts zieht die Menge;
In heiterm Wort und Scherz
Hat sie auch schon vergessen
Dies gottgeweihte Herz.
Der Ratsherr nur alleine
Geht einsam, ohne Wort,
Und trägt in seiner Seele
Den Stachel mit sich fort.

Er tritt zu seinem Hause;
Da schließet er sich ein,
Sinkt hin und ächzt und stöhnet:
»Mein Kind! Mein Töchterlein!
Dein Herz hab' ich gebrochen
Im Stolze hart und blind;
Nun hat mich Gott gestrafet –
Nahm mir mein einzig Kind.«

 
3.

                Es strahlet die Frühlingssonne in lebensweckender Pracht,
Daß wiederum Tal und Wiese von Gras und von Blumen lacht.
O Blümlein, o bleibet drinnen in eurem so warmen Bett,
Durch säuselnde Frühlingslüfte das schwedische Banner weht!

Wohl Tausende Reiter ziehen einher in gestrecktem Trab;
O Blümlein so jung, die treten euch alle ein frühes Grab.
Was gilt doch dem fremden Schweden das liebliche deutsche Land!
Was gilt doch dem Rosseshufe der Blümlein gemalt Gewand!

Die Sonne, sie aber leuchtet in wundersam hellem Gold;
Wahrhaftig, man könnte meinen, sie seie den Schweden hold;
Sie biete ein froh Willkommen der mutigen Kriegerzahl,
Um eitel sich abzuspiegeln im blinkenden Waffenstahl.

O Sonne, gar leicht zu lächeln hast du an dem Himmelszelt;
Du stehest ja wohlgeborgen in deiner entfernten Welt.
Doch wärst du bei uns da unten, dir käme das Grausen auch!
Denn blutig und wild und tapfer, das ist ja der Schweden Brauch.

Trompeten höret man schmettern; es rauschet die Donau im Chor.
Die Hufe der Rosse stampfen; da öffnet sich rasch das Tor.
Es ziehen hinein die Krieger; doch friedlich und ohne Blut –
Der Pfarrherr, der nur alleine, muß lassen sein Geld und Gut.

Die Nacht hat gewebt den Schleier um Flur und um Wald und Stadt,
Und selige Schlummerruhe darauf sich gelagert hat.
Ein einziger Mann alleine her schreitet mit ernstem Gang;
Gar feierlich schallt des Trittes vereinsamter, lauter Klang.

Nun bleibet er plötzlich stehen, betrachtet ein kleines Haus;
Wie sprühen doch seine Augen so funkelnde Blicke aus!
Ich glaube, ein stilles Tränlein aus männlichem Aug' sich stiehlt,
Und Wehmut und Schmerz und Wonne darinnen vereinet spielt.

Er breitet aus seine Arme und rufet in Seligkeit:
»O Heimat, sei mir gegrüßet nach langer, nach langer Zeit!
Wie habe ich mich gesehnet unzählige Male nach dir!
Nun stehe ich nach Gefahren nun wiederum selig hier! –

O Heimat, o sei gegrüßet! Du Heimat, so gib mir an,
Was bietest du deinem Sohne zum Gruße auf seiner Bahn?
Ich habe dir anvertraut beim Scheiden mein holdes Lieb –
Dieses Kleinod, dies nur alleine, zurücke mir wieder gib!

Solch Hoffen, es war das Sternlein in freudelos langer Nacht;
Mir Waffe und Schild und Banner im Toben der blutigen Schlacht.
Dies Hoffen, es hat geführet mich wieder zu dir zurück;
So biete mir zum Willkommen, o Heimat, mein Liebesglück!«

So rufet der brave Krieger, der wackere Luitfried, aus;
Er hüllet sich in den Mantel, verlässet sein Vaterhaus
Und kehret zu seinem Lager und träumet von Liebeslust
Nach bitteren Trennungsschmerzen an Klärchens geliebter Brust. –

 
4.

                Im Klostergarten wallt allein
Bleich Klärchen in des Abends Schein,
Zu kosten milde Frühlingsluft
Und würzig süßen Blumenduft.
's ist alles ja in Gottes Welt,
Woran ihr Herz sich darf erquicken,
Wonach das Auge könnte blicken,
Die einz'ge Labung unvergällt!

Lieb Klärchen ist verwandelt sehr,
Seit ein sie zog als Himmelsbraut
Mit ihrer Seele Liebesleid.
Da weg sie gab ihr bräutlich Kleid,
Gab weg sie selbst des Namens Laut,
Und den, ach, gab sie schmerzlich her!
Nun sind die Wangen lilienbleich;
Des Lächelns ist beraubt der Mund;
Die Augen blicken wehmutsreich
Und tun ein still Entsagen kund.

Nur in des Herzens kleinem Raum
Ist alles wie in alten Tagen,
Da webt sich fort der Liebestraum;
Da stöhnen Luitfrieds Scheideklagen;
Da steht sein ewig teures Bild
So männlich ernst, so zärtlich mild
Mit seinen Augen treu und helle.
Wär' nicht das heil'ge Kreuz darin,
Des Duldens und des Glaubens Sinn,
Nicht glich es einer Klosterzelle.

Es ist für Klärchens reines Herz
Ein offen Buch das Frühlingsweben;
Oft hat in ihrem stillen Schmerz
Es ihr ein Trosteswort gegeben.
Aus Knospen, Blumen, Gras und Au,
Aus Vogelslied, aus klarem Tau
Und aus der Silberwölklein Lauf
Stieg oft ein Zauber wonnig auf
Und legte sich ums Herz ihr lind
Wie Mutterarme um das Kind;
Und wie das Kindlein schlummert ein,
Entschlief auch ihrer Seele Pein.

Heut aber wogt es bang in ihr;
Nicht schlafen will das alte Leid!
's ist grad, als ob die junge Maid
Statt einer Nonne walle hier.
Der seelenvolle Vogelsang,
Der oft ihr Gottes Lieb' gesungen,
Macht heut das Herz nur liebesbang;
Und alle Stimmen der Natur,
Die sonst so himmelrein geklungen –
Sie haben ird'sche Sprache nur!

So durch den Garten hin sie geht,
Durchwebt von ahnungsvollen Träumen
Da rauscht es plötzlich in den Bäumen,
Und Luitfried vor der Nonne steht. –
Ein starrer Blick, ein Schrei der Lust,
Ein Sinken an des Liebsten Brust,
Und ein Vergessen aller Welt –
Ist Werk der seligen Sekunde;
Doch ach! Ihr Flug nicht innehält!

Sie tritt zurück, preßt ihre Hand
Ans laute Herz in bangem Stöhnen
Und zeiget auf ihr schwarz Gewand;
Ein Lächeln zittert um die Lippen,
Als wollt' das neue Glück es höhnen.
Dann schaut sie Luitfried schweigend an;
Ihr ganzes Herz liegt in dem Blicke,
Ihr ganzes schmerzliches Geschicke,
Die weite Zukunft, hoffnungsleer!
Nun bricht die Träne sich die Bahn,
Ein salzig und ein totes Meer,
Darin kein Wesen atmen kann. –

Doch Luitfried, reich an jungem Mut,
Naht Klärchen sich mit leisem Tritte,
Führt weg sie aus des Gartens Mitte
In schatt'ger Bäume sichre Hut,
Hebt ihr empor das Angesicht
Und trocknet ihre heißen Zähren,
Daß sich ihr Auge mußte klären;
Und warm und traut er also spricht:

»Mein Klärchen, als in Jugendzeit
Sich unsre beiden Seelen fanden,
Da hast du dich mit ew'gen Banden,
Mit heil'gem Schwure mir geweiht. –
Es konnte deines Vaters Wort
Uns bannen in die Brust die Schmerzen,
Mich jagen aus dem Heimatort,
Doch nimmer scheiden unsre Herzen!

Ich zog hinaus zur wilden Schlacht
Zu betten mir mein blutig Grab;
Doch Gott hat über mir gewacht,
Und alle Kugeln prallten ab
Von dieser Brust, für dich gefeit,
Und siegreich zog ich aus dem Streit!

Du aber, lang getrennt von mir,
Du weintest um mich – einen Toten;
Denn keine Zeichen, keine Boten,
Gelangten aus der Schlacht zu dir.
Da zogst du, eine Himmelsbraut,
Nun über dieses Klosters Schwelle,
Um in der einsam stillen Zelle
Zu harren jener sel'gen Stunde,
Wo Gott zu einem ew'gen Bunde
Im Himmel unsre Seelen traut. –

Ich kehre heim. – Der junge Mut
Umkränzt die alte Lieb' mit Hoffen!
Schon seh' ich in der Wonne Glut
Den ganzen Liebeshimmel offen!
Ich seh' bei unsrer Treue Zeichen
Des Vaters starres Herz erweichen
Und drücke dich ans trunkne Herz! –
Da wies man mich zum Grabesbette,
Wo längst dein Vater schlummernd liegt,
Wies mich zu dieser Klosterstätte –
Und ob – mein Traum zerrann in Schmerz!
Doch bald hat auch mein Mut gesiegt.

O teures Lieb, o senke nicht
Dein tränumflortes Auge nieder!
Heb auf zum Himmel seine Lider,
Und folge deiner ersten Pflicht.
Erfülle deiner Jugend Eid!
Wirf weg von dir dies Trauerkleid
Und folge mir! – In fernem Lande
Soll uns die neue Heimat blühn;
Und in der Liebe heil'gem Bande
Das Herz in neuem Frühling glühn! –
Du zauderst noch? O Klärchen, du!
Die Braut aus meinen Jugendtagen!
Du siehst dein Glück und meines tagen
Und schließest deine Augen zu? –
O höre mich, Verlobte mein:
Wenn sich zur Erde senkt die Nacht,
Kein einzig Auge lauernd wacht,
Dann flieh aus deiner Klosterzelle,
Vertrauend keines Lichtes Schein!
Dort, in der heiligen Kapelle,
Dort, teures Liebchen, harr' ich dein.«

Die Liebe siegt. – Ein Wonnestrahl
Steigt aus der Seele in die Augen,
Die Tränen alle aufzusaugen. –
Da schlägt die Uhr der Stunde Zahl,
Die zum Gebet der Nonnen tönet.
Ein Ja aus Klärchens Auge sprüht,
Des Liebsten Bitte ist gekrönet,
Und rasch sie durch den Garten flieht.

 
5.

                  Vom Turm erschallt die Mitternacht;
Es schläft der Mensch, es schläft die Flur,
Nicht Stern und Mond am Himmel wacht.
In Klosterkirchleins kleinem Raum
Brennt matt die ew'ge Leuchte nur
Wie Menschengeist in Schlummers Traum.

Da wachet plötzlich auf ein Ton,
Ein dumpfer Laut wie Meereswell';
Drein klingelt einzeln, kurz und hell
Geklirr, als wie von Waffenstahl;
Doch wieder ist verstummt er schon,
Und Totenruhe herrscht im Tal.

Da schleichet geisterhaft und leis
Nun Luitfried zu des Kirchleins Tor,
Und Waffenbrüder in dem Kreis,
Sie halten treue Wacht davor.
Er tritt hinein; es bebt die Brust,
Weiß nicht, ist es von leisem Bangen,
Ist es von Wonne und von Lust,
Sein Lieb nun endlich zu umfangen. –
Er prangt in reicher Waffentracht,
Daß drinnen glänzt das Lämpchen klar;
Und dorten stehet am Altar
Sein Klärchen düster wie die Nacht.
Er eilt hinzu, umschlingt die Braut
Mit seinen Armen lustbeweget;
Doch horch! Welch dumpfer Lärm sich reget!
Er naht – er wird zum Waffenlaut!
Auf tut sich rasch die Sakristei –
Das Dunkel wird zum Feuermeere –,
Es klirren Schwerter, blitzen Speere,
Wild drängen sich die Klosterknechte
Und wild die Schweden auch herbei –
Das Kirchlein hallet vom Gefechte
Und widerhallt vom Mordgeschrei.

Und wie ein Schiff im wilden Sturm,
Im Wellenkampf ein fester Turm,
Steht Luitfried mitten in dem Schwarm,
Hält schirmend seine Braut im Arm;
Das Schwert in seiner Mannesfaust
Verzweifelnd durch die Reihen saust.

Schon tränkt den Boden heißes Blut!
Und schon vor Luitfrieds kühnen Streichen
Die feigen Klosterknechte weichen;
Schon jauchzt sein Herz in Siegesmut!
Da fasset plötzlich eine Hand
Die bleiche Braut an Luitfrieds Seite
Und reißt am heiligen Gewand
An sich die lebenslose Beute.

Zur Wut wird seines Herzens Qual;
In Wut er mit dem Räuber ringt,
Daß sich sein Auge blutig rötet;
Vom Gürtel reißt er das Pistol,
Er zielt – er drückt – ein heller Strahl –
Und zu der Erde Klärchen sinkt
Von Luitfrieds eigner Hand getötet. –

Da zieht ein Grausen durch die Rund',
Es beben selbst der Schweden Glieder,
Und ihre Schwerter sinken nieder;
Ein leis Gebet spricht jeder Mund. –
Mit stierem Blicke, gräßlich wild,
In dem der Wahnsinn zuckt und leuchtet,
Schaut Luitfried auf das Totenbild
Das blutig rings den Stein befeuchtet.
Er beugt sich zu der Leiche hin,
Umfaßt die Hand so totenkalt –
Nun plötzlich durch den irren Sinn
Ein wacher Geistesfunke wallt;
Verzweifelnd in der Seele Graus
Stürzt Luitfried in die Nacht hinaus.

Und aus den Reihen tritt hervor
Die Priorin mit ernstem Schritte
Zur Leiche in der Krieger Mitte,
Auf die sie strenge zürnend schaut;
Streckt ihre bleiche Hand empor
Und ruft mit schauervoller Stimme:
»So strafet Gott in seinem Grimme
Die ungetreute Himmelsbraut!«

 
6.

            In Gluten strahlet des Tales Rund;
Ist schon gekommen die Morgenstund'?
Ist das der Sonne erwachend Licht?
O nein, die strahlet so blutig nicht.

Am Himmel leuchtet ein Feuerschein,
Es glüht herüber vom Klösterlein,
Und Reiter ziehen durchs graue Tal
Von Klärchens schaurigem Totenmal.

Sie warfen hinein der Fackel Brand
Als ewig dauerndes Rachepfand;
Wie Luitfried bebend im Wahnsinn flieht,
Die Schar der Nonnen auch flüchtig zieht.

Auch Klärchens Seele zieht ruheleer
Im Schutt des Klösterleins leis umher
Und ächzet schaurig und ächzet bang
Und hält am Freitag den Totengang.

Da, wo sie geistig nun wandeln geht,
Ein kleines Kirchlein errichtet steht;
Da beuge liebend auch du dein Knie
Und sprich ein frommes Gebet für sie.

 


 


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