Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die Legende von St. Wolfsindis zu Reisbach (2)

Wolfsindis oder Wolfsine, ein edles Fräulein aus dem Schloß Warth, lebte fromm, sittsam und zurückgezogen. Als das Land von Kriegsvölkern besetzt war, lag der Anführer einer feindlichen Rotte in dem Schloß im Quartier. Dieser, von den Reizen der Jungfrau angezogen, machte ihr unehrbare Anträge, die aber von der züchtigen Jungfrau auf das entschiedenste zurückgewiesen wurden. Da nun der Krieger seine ruchlose Absicht in Güte nicht erreichte, so wandte er Gewalt an und suchte die sittsame Jungfrau gewaltsam zu seiner Lust zu mißbrauchen. Das Fräulein entkam ihm jedoch mit viel Mühe.

Nun nahm der feindliche Kriegsmann zu einer List seine Zuflucht, um doch zum Ziel seiner bösen Wünsche zu kommen. Er stellte sich, als wäre er abberufen, und hielt sich einige Zeit nach geschehener Abreise vom Schloß entfernt. Als er glaubte, daß die schüchterne Taube wieder aus ihrem Versteck hervorgekommen sei, erschien er auf Warth und forderte ungestümer als je die Erfüllung seines Begehrens, und als das sittsame Fräulein dies abermals verweigerte, verwandelte sich seine tierische Liebe in wütenden Haß. Er ergriff die Jungfrau, band sie an den Schweif seines Rosses, setzte sich darauf und sprengte in wildem Toben Reisbach zu, und hier, ganz nahe beim Markt, gab die Märtyrerin der Keuschheit den Geist auf. Auf derselben Stelle aber entsprang eine Quelle voll Heilkraft, und jetzt steht dort das anmutige Kirchlein.

 


 


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