Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Der Einaug (2)

Von Ignaz Hub.

          Der Einaug sprang, die Faust geballt,
Vom Lager im Morgennebel,
Warf sich ins Büffelwams und schnallt'
Sich an den Gurt den Säbel;
Rief aus dem Schlaf den stärksten Knecht:
»Heda, Gesell, mach dich zurecht!
Mir träumte: Sollen reiten!
Du sollst mich heut begleiten!«

Und hurtig ging's zu Roß ins Tal,
Querfeldein – gen Annweiler.
»'s gibt einen Höllenfang, beim Gral!
Und wär's des Satans Keiler!«
Sie ritten über Stock und Stein
Voll Raubbegier waldaus, waldein,
Durchstöberten alle Wege,
Die Schluchten und Gehege.

Doch fand zu Raub sich keine Spur,
Wonach die beiden lechzten;
Grimm angeschoßne Hirschlein nur
Im stillen Grund verächzten.
Der Sperber schreit, es klopft der Specht,
Der Raubherr flucht, es murrt der Knecht...
So bogen um einen Hügel
Sie mit verhängtem Zügel.

Da, wie den Vorsprung sie erreicht
Im halben Dämmerdunkel,
Ramberg, die Ritterburg, sich zeigt
Und wandelnd Lichtgefunkel.
Ihr Anblick, heißa, war kein Dorn
Dem Einaug. – Hei, stieß er ins Horn,
Daß schmetternd von dem alten
Gestein die Töne prallten.

»Hallo, tut auf! Ein Dach gewährt
Zween abwegs irren Recken!
Das Rößlein stutzt, der Nachtwind fährt
Grausig durch Busch und Hecken!« –
Auf Gastfreundschaft der Ramberg hält,
Die Kette rollt, die Brücke fällt,
Und Schloß und Riegel sprangen,
Die Gäste zu empfangen.

»Beim Sakrament, so hat es Art.«
Der Einaug riefs dem Knechte.
»Das Burgherrlein wohl hat bewahrt
Goldfischlein für die Hechte!«
Sie saßen ab bei Fackelstrahl,
Sie traten in den Rittersaal
Und ließen sich's gefallen
Bei Wildbret, Fisch und Quallen.

Sie machten sich's bequem fürbaß,
Der Strolch und sein Genosse;
Sie tranken aus dem besten Faß
Und trieben Scherz und Posse.
Ernst aber furcht, des Ritters Stirn,
In Fiebergluten zuckt sein Hirn,
Als wollt' ein böses Ahnen
Geheimnisvoll ihn mahnen.

Und als genommen war das Mahl,
Bestellt die Schlummerzellen,
Verläßt er alsobald den Saal,
Gehn schlafen die Gesellen.
Der Schnapphahn doch beiseite raunt:
»Um Mitternacht sei wohlgelaunt,
Wenn er im Schlaf verloren,
Das Herz ihm zu durchbohren!

Herum in Kist' und Truhe dann
Mit scharfer Nase spähe,
Indes ich samt dem Kastellan
Die Knappen niedermähe!« –
Und stille ward's im Ritterhaus,
Die Eule nur und Fledermaus
Umschwirrten wie Gespenster
Die runden Erkerfenster.

Unruhe hielt den Burgherrn wach;
Dämonische Gewalten
Umgaukelten sein Schlafgemach
In hundert Schreckgestalten.
Es grinst ihn an und winkt und nickt –
Er lauschet... still... nur leise tickt
Die Totenuhr und knistert,
Der Wind verstohlen flüstert.

Er sucht den Schlaf... er nicket ein...
Ha! schreckt's ihn auf vom Pfühle!
Ihm war, als ob ein Zentnerstein
Auf seinem Herzen wühle.
Er späht..., da blutig von der Wand
Starrt ihm entgegen eine Hand –
Aus seines Schwertes Scheide
Blutfunkelte die Schneide.

Und heißer schlug an ihm empor
Der Ahnung schwarze Welle...
So durch den schmalen Korridor
Wallt er zur Burgkapelle,
Kniet vor dem Altar gläubig hin
Und fleht zum Herrn mit frommem Sinn,
Vor Unheil und Gefahren
Ihn gnädig zu bewahren.

Den Schimmer warf das Ew'ge Licht
Aufs hohe Tabernakel.
Daraus die Liebe Gottes spricht
Im Brotwandlungsmirakel.
Darüber mit der Dornenkron'
Am Kreuze hing der Gottessohn,
Zu Füßen ihm stand voll Schmerzen
Die Mutter, das Schwert im Herzen.

Wie also im Gebet er lag,
Mit seinem Gott im Bunde,
Verkündet dumpf der Glockenschlag
Vom Turm die Mittnachtsstunde.
Jetzt schleicht, in starker Faust den Stahl,
Des Räubers Knecht, wie er befahl,
Hinauf zu Rambergs Kammer...
Noch scholl im Erz der Hammer.

Er legt das Ohr an Wand und Schloß...
Kein Laut..., und leise tritt er
Hinein, gezückt zum Todesstoß
Das Eisen auf den Ritter.
Doch als er fand die Kissen leer,
Drängt's ihn verwirrt zur Türe quer. –
Geschnarch'... ein Schrei!... der Kehle
Entfährt des Schläfers Seele.

Vom Feuerweine noch durchglüht
Entrauscht die Lebensquelle:
Das letzte leise Röcheln flieht
Aus tiefer Herzenszelle.
Der Einaug schwamm in seinem Blut –
Da naht der Graf, in Gottes Hut;
Die Fackel in der Linken,
Läßt er sein Schwert erblinken.

Und vor den Mörder stumm und bleich
Tritt er mit strengen Mienen;
Dem kam's, als ob aus dunklem Reich
Der Rachegeist erschienen.
Entsetzen packt den Bösewicht,
Als halte Gott sein Strafgericht
Über dem rauchend roten
Verruchten Blut des Toten.

Zu seinen Füßen stürzt er, fleht
Um Gnade für sein Leben;
Des Räubers Meuchelplan gesteht
Er reuig und mit Beben:
»Erbarmen meiner Seele, Herr!
O laßt im dunkelsten Gesperr
Mich büßen, schlimm beraten,
Für meine Missetaten!«

»Du hast vollstreckt nach Gottes Rat
Die Strafe«, spricht der Ritter.
»Vergeben sei dir drum die Tat,
Fern Burgverlies und Gitter;
Nun aber flieh, elender Gauch!
Verbirg dich in den dicksten Strauch,
Und preis durch Gottes Gnade
Der ew'gen Vorsicht Pfade!«

 


 


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