Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Münchner Bierbeschau

Von G. Görres

          Schon ziemlich lange mag es sein,
Man zählte just das Jahr,
Als noch die alte Redlichkeit
In Deutschland üblich war.

Nun damals galt in München auch
Ein hergebrachtes Recht,
Wie man das neue Bier beschaut;
Der Brauch war gar nicht schlecht.

Drei Männer sandte aus dem Rat
Die Münchner Bürgerschaft
Zum Bräuer, ob das junge Bier
Geerbt des alten Kraft.

Ihr meint, die Herren aus dem Rat,
Die tranken nun aus Pflicht?
Das mag die Sitte jetzo sein,
Doch damals war sie's nicht.

Sie gossen's auf die Bank fein aus
Und setzten drauf sich frei,
Und kleben mußte dann die Bank,
Erhoben sich die drei.

Sie gingen drauf mit selber Bank
Vom Tische bis zur Tür,
Und hing die Bank nicht steif und fest –
Verrufen war das Bier.

Doch wie hier unterm Mondenschein
Auch gar nichts kann bestehn
Und sich die Welt nur immerfort
Im Kreise pflegt zu drehn;

Es kam die aufgeklärte Zeit,
Und die war dünn und karg,
Und mit der deutschen Redlichkeit
War's lang nicht mehr so arg.

Und matt und dünn und aufgeklärt
Ward da das Bier halt auch,
Und somit nahm ein Ende dann
Der alte schöne Brauch.

Vielleicht, daß Gerst' und Hopfen man
Zuwenig heute pflegt,
Vielleicht auch, daß vom Pfennigkraut
Zuviel hinein man legt.

Doch wird noch von der Bürgerschaft
Der alte Brauch geehrt
Nur hat sie ihn – wie anders auch –
Ins Gegenteil gekehrt.

An ihnen klebt die Bank nicht mehr,
Drum kleben sie an ihr
Und sitzen drauf wie angepicht,
Als wär's das alte Bier.

Und wer den Krug zum Munde führt,
Der setzt ihn nicht mehr ab,
Bis er den letzten Tropfen hat
Gebracht ins sichre Grab.

 


 


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