Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Wie St. Sebaldus nach seinem Tod einen Zweifler besiegt hat

Von J. N. Vogl.

1.
              Aufgebahrt liegt Sankt Sebaldus
In der Zelle, eng und dunkel;
Zu des Toten Füßen sitzet
Hütend, stumm, ein schwarzer Bruder.

Ringsum herrschet Nacht; es schauet
Nicht ein Laut in öder Runde;
Trübe brennen ab die Kerzen –
Nur der Hüter ist noch munter.

Da – mit frevlem Sinne wendet
Zu dem Toten sich der Bruder:
»Ei, wie bist du nun so stille?
Sprich, was wirkst du keine Wunder?

Nur getäuscht hast du die Menge,
Die gehuldigt deinem Ruhme;
Blendwerk war, was du verübtest,
Und die Einfalt nannt' es: Wunder.

Konntest wirklich Wunder üben,
Gib mir jetzt davon die Kunde;
Will dir deine Zeichen glauben,
Wirkst du eins zu dieser Stunde.«

Aber kaum, daß ausgesprochen
Solches Wort aus seinem Munde,
Sieh – da richtet sich Sebaldus
Plötzlich auf in seiner Truhe.

Aus den tiefen Augen schießend
Grimmer Blicke Zornesgluten,
Rufet er mit dumpfer Stimme:
»Wehe über dich, Verruchter!«

Und im selben Nu verlöschen
Alle Lichter in der Stube,
Und ins Antlitz schwer getroffen,
Stürzt zur Erde hin der Bruder.

 
2.
Hört ihr's nicht, beim Toten drinnen:
Weheklagen, Hilferufen?
Und es eilen hin die Mönche,
wo Sebaldus liegt in Ruhe.

Seht – im Sarge liegt die Leiche,
Doch der Hüter wimmernd drunter,
Bleich, voll grimmer Schmerzen heulend,
Aus den beiden Augen blutend.

Und er kündet nun voll Jammer,
Wie gelästert seine Zunge
Und ihn drauf der Tote strafend
Also schmerzlich hab' verwundet.

Und den Blinden, der verzweifelt,
Führen sie in seine Stube,
Gießen Balsam, legen Kräuter –
Aber fruchtlos – auf die Wunde.

»Wehe!« ruft er. »Weh' mir Armen,
Daß ich also mich verschuldet;
Nimmer werd' ich Gnade finden,
Ew'ge Nacht hält mich umwunden!« –

 
3.
Einsam sitzt der blinde Bruder
Stillen Grams in öder Stube;
Reue nagt an seinem Herzen
Ob dem Frevel seiner Zunge.

Und auf seine Kniee sinkt er
Also zu dem Heil'gen rufend:
»O verzeih um Jesu willen,
Was an dir ich hab' verschuldet!

Sieh zerknirscht im Staub mich liegen,
Der in ew'ge Nacht versunken;
Sieh mein Herz von bittrer Reue
Ob der schlimmen Tat durchdrungen.«

Und er fühlt ein lind' Berühren
Plötzlich auf den Augen wunde,
Und er hört Sebaldus' Stimme:
»Blicke auf, du bist gesundet!« –

Und in namenloser Wonne
Ist des Bruders Herz entzunden,
Da der Quell des Lichtes wieder
Wundertätig ihm entsprungen.

Wohl erstaunen all die Mönche
Ob dem neuen, kräft'gen Wunder,
Preisen laut Sebaldus' Milde,
Der verzieh dem reu'gen Bruder.

 


 


 << zurück weiter >>