Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die Wettenburg

Im südlichen Teil des Herrschaftsgerichts Kreuzwertheim im Untermainkreis erhebt sich ein steiler Berg, die Wettenburg genannt, auf drei Seiten vom Main umflossen und mit der Blume des Wertheimer Weins prangend. Der Name des Berges stammt der Sage nach von einer Burg, die ehemals seinen Scheitel krönte.

Eine reiche Gräfin – so erzählt man –, die Besitzerin der Burg, wollte den Berg auch noch auf der vierten Seite vom Main umgeben wissen. Ihre Untertanen erlagen fast unter der Last der Fronarbeiten zu dem ungeheuren Unternehmen. Hindernisse aller Art veranlaßten endlich die Gräfin, jedem ihrer Freunde und Vasallen eine Wette für das Gelingen des Unternehmens anzubieten.

Sie warf einen blitzenden Diamantring in die Flut und sprach: »So gewiß dieser Ring nimmer in meine Hände kommt, so gewiß muß der Berg durchgraben werden; wenn nicht, so versinke meine Burg.« Ein furchtbarer Donnerschlag aus heiterem Himmel zeugte von ihrem Frevel.

Am zweiten Abend saß die Dame in großer Gesellschaft bis Mitternacht bei üppigem Schmaus. Ein großer Fisch wurde endlich aufgetragen, und beim Zerlegen wurde in dessen Eingeweiden der in die Fluten geschleuderte Ring gefunden. Alles entsetzte sich; aber mit dem letzten Schlag der Geisterstunde sank unter Donner und Blitz die Burg mit ihren Bewohnern in die Tiefe des Stroms. Nur wenige Trümmer und ein tiefer Schacht bezeichnen noch die Stelle des Schlosses.

In diesen Schacht ließ sich einmal ein Hirt an einem Seil hinab und hatte seinen oben gebliebenen Gefährten angewiesen, ihn auf ein gegebenes Zeichen sogleich herauszuziehen. Er kam in einen Saal, worin ein schwarzer Hund lag und etliche Männer und Frauen in alter Tracht regungslos wie Standbilder beisammensaßen. Da faßte ihn ein Grauen, und schnell ließ er sich hinaufziehen.

Einen Schäfer, der ein andermal hinuntergestiegen war, führte eine Frau, die Herrlichkeiten des Schlosses ihm zeigend, durch viele Gemächer; zuletzt in eines, in dem sich lauter Totenköpfe befanden. Als er aus dem Berg kam, erfuhr er, daß seit seinem Hineinsteigen nicht – wie er geglaubt hatte – einige Stunden, sondern, sieben ganze Jahre verflossen waren.

Heutigen Tages ist auch der Schacht nicht mehr zu sehen; wohl aber hört man noch Glockengeläut aus der Tiefe des Berges. Jedes siebente Jahr erscheint die Burg in der Tiefe des Mains; und dann erblicken Sonntagskinder auf der Berghöhe einen einsamen Felsen, an dem ein gewaltiger Eisenring befestigt ist, und eine tiefe Höhle daneben. Aber noch keiner hat sich in die Höhle gewagt.

An einem solch wunderbaren Tag hat einst ein Faßbinder sein Messer neben den eisernen Ring gelegt; da fühlte er einen unwiderstehlichen Drang zum Einschlafen. Und als er erwachte, war mit dem Ring und dem Felsen auch das Bandmesser verschwunden; aber als er nach genau sieben Jahren abermals hinkam, lag es wieder auf derselben Stelle.

 


 


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