Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Das Edelweiß

Sage von der Mordau, erzählt von Franz Englert

Auf dem Grenzgebirge Berchtesgadens gegen Reichenhall liegt die Alpe Mordau. Im Jahre 1382 bezog Kathei, das schönste Dirndl im Berchtesgadener Land, diese Alpe als Sennerin. Manch stattlicher Bua stieg hinan zur Alpe, um Kathei zu besuchen, allein die Älplerin hatte gar früh schon ihr Herzchen an Lenzei verschenkt, der, ein treuherziger Gebirgssohn, kein anderes Madl anschaute. So machte es freilich Kathei nicht, denn es schien ihr gar lustig, von allen Älplerinnen weit und breit die schönste zu heißen; und sie sah es gern, wenn manch schmuckes Bua in Sonntagsjoppe, mit Goldquaste und Spielhahnfeder auf dem Hut, zu ihr heraufstieg. Leider war der arme Lenzei ebenso eifersüchtig als Kathei schön, und das verbitterte ihm gar viele Stunden.

Es war auch der Kathei nicht mehr so recht ernst mit dem Lenzei, denn ein »Jager« gefiel ihr jetzt besser, der sie gar oft auf der Alm heimsuchte. Das merkte denn Lenzei bald und grämte sich sehr. Kathei aber sann darauf, wie sie den Bua sich vom Hals schaffen könne. Und wie sie einmal wieder darüber nachsann, da hörte sie den »Jager« am Fenster, der juchzte ihr zu und sang:

»Steig' i aufi auf d' Alma,
Ja da werd ma 's Herz weit –
Und sich i d' Senndrin geh',
Tuat s' mi grüßn schö',
Ko's nit sagn, wie's mi freut.«

Als der Jäger in den Kaser trat, erzählte sie ihm, worüber sie nachgedacht hatte. Der Jäger wußte bald Rat, meinte, Kathei sollte ihn nur ausschicken, um ein schönes EdelweißDas Edelweiß ist eine der Lieblingsblumen der Gebirgsbewohner, und ihre schöne, weiße Samtblüte, die sich jahrelang hält, bildet die Hauptzierde auf dem Hut der Gebirgsbäuerinnen. von den Felswänden zu pflücken, und das könne ihn schon einmal den Hals kosten. Da schauderte freilich Kathei zusammen, aber sie ging doch darauf ein und schickte den Lenzei, als er wiederkam, auf den hohen Göhl, um das schönste Edelweiß zu pflücken, das er finde; und je größer und schöner es sei, desto mehr sei es ein Zeichen seiner treuen Liebe.

Lenzei war heute gekommen, um Kathei zu sagen, daß Herzog Friedrich von Bayern, vom Propst Ulrich aufgereizt, ins Berchtesgadener Land komme, um es zu verwüsten. Darum wolle er sie heute auf der Alm beschützen, damit ihr kein Leid geschehe. Aber Kathei lachte und meinte, sie brauche ihn nicht zum Beschützer, und sie bestand darauf, daß er ihr das Edelweiß hole.

Der gute Lenzei bestieg die Berghöhe des Göll, wo das Edelweiß gedeiht; und je größere Blüten er sah, desto mehr pochte sein Herz vor Freude. Schon glaubte er sich im Besitz manch schöner Blüte, die er an gefahrvoller Felswand gepflückt hatte und womit er Kathei zu überraschen gedachte, da sah er am äußersten Felsrand ein ungewöhnlich großes Edelweiß. Das mußte ihm, wie er wähnte, das Herz der geliebten Älplerin sicher wieder ganz zuwenden. Er sah nicht die Gefahr – nur die Blüte erblickte sein Auge. Er nahte dem Edelweiß, brach die schöne Blüte, aber der einstürzende Felsenrand nahm ihn mit sich hinab, und zerschmettert an den unzählig hervorstehenden Felsspitzen stürzte er tot in den Abgrund.

Als er zur Sennhütte nicht wiederkehrte, da ahnte die treulose Älplerin, was geschehen war, und schloß sich furchtsam in des lachenden Jägers Arme.

Und als schon die Nacht düster und dunkel wurde, da wurde es geräuschvoll um die Sennhütte, und von Herzog Friedrichs von Bayern Soldaten drang eine Schar, die den Weg über die Mordau genommen hatte, herein; sie stießen den Jäger und die Sennerin nieder und taten sich wohl im Milchkeller des Kasers. Sterbend erinnerte sich noch Kathei, wie Lenzei sie zu retten gekommen war, und reuevoll erkannte sie des Himmels heilige Rache. Ihre letzten Worte waren noch ein reuevolles Gebet; des Jägers letzter Laut aber war – ein Fluch.

Seitdem aber heißt die Alpe Mordau und behält den Namen wohl auch für immer.

 


 


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