Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die Felsenjungfrau bei Weltenburg

Von Isabella Braun.

1.
                    Weiche Sommerlüfte kosen
In der nächtlich stillen Au;
Blüten, Blumenkelche, Rosen
Trinken süßen Abendtau;
Gräser schwanken wie im Tanze,
Elfen schweben im Gefild,
Und der Mond im weichen Glanze
Blicket auf das holde Bild.
Auch der Donaustrom, der greise,
Wallet hin im Wellengang,
Feierlich, doch mild und leise
Hält er seinen Abendsang.
's ist, als ob ein junges Leben
Walte keck in seinem Schoß;
Denn die Wellen senken, heben
Glänzend sich und fessellos,
Wiegen wie im Jugendspiele
Leicht ein Schifflein her und hin;
Nicht nach vorgesetztem Ziele
Steuernd, liegt ein Schiffer drin.
Glühend sendet er die Augen
Auf die Wogen, monderhellt,
All die Schönheit einzusaugen
Dieser seiner Lebenswelt.
Offen wie der Kelch der Blüte,
Weich als wie der Blumenhauch
Ist des Schiffers jung Gemüte,
Wogend wie die Welle auch.
Alle seine Liebeslieder
Läßt er rauschen in die Flut,
Und die Töne steigen nieder,
Wo die Wassernixe ruht.
Sieh – da tauchet aus der Welle
Rasch und leicht die Nixe auf,
Und der Mond wirft mild und helle
Seinen Silberglanz darauf,
Macht die blonden Locken leuchten
Wie das Gold so hell und klar,
Senket in den Blick, den feuchten
Einen Zauber wunderbar.
Und die Nixe lauscht der Lieder,
Die der junge Schiffer singt;
Mit der Welle auf und nieder
Sie die zarten Glieder schwingt.

In dem Nixentanze wieget
Sich der kleine, schwache Kahn;
Da erstaunt der Schiffer, bieget
Nieder sich zur Wellenbahn.
Sieh – da treffen sich die Augen,
Treffen glühend ineinand,
Und des Schiffers Blicke saugen
Ein den wonnig süßen Brand.
Doch die Nixe taucht in Wogen
Nieder, scherzend voller Lust,
Daß des Stromes Wellenbogen
Schlagen an des Schiffers Brust.
Da durchströmt ein heiß Verlangen
Des erstaunten Jünglings Herz,
Sich die Nixenmaid zu fangen
Zu der Minne süßem Scherz.
Zu dem tiefen Wellenschoße
Senket er sein Netz hinein,
Zieht empor – oh, welcher große,
Welcher Wunderfang ist sein!
Aus dem Netze windet leise
Sich das Nixlein zart und zahm,
Fern von ihrem Wellengleise
Steht sie da in holder Scham.
Doch der kecke Fischer windet
Weich um sie den starken Arm;
Und der Nixe Beben schwindet,
Und es wird das Herz ihr warm!
Und die beiden jungen Herzen
Werden eins in dieser Stund;
Bei des Himmels Sternenkerzen
Schließen sie den Liebesbund.
Ihre Treueschwüre tauschen
Sie beim Mondenschimmer ein,
Und des Donaustromes Rauschen
Muß das Wort des Priesters sein.
Und der Zweige leises Säuseln
Und der Lüfte Äolsklang
Und der Wogen Spiel und Kräuseln
Wird zum süßen Hochzeitssang.

 
2.
Wie zog der silberne Mond heran
So manche Nacht an dem Himmelsplan,
Sich leise spiegelnd in Stromeswogen;
Kein Schifflein kam mehr dahergezogen.
Denn oh, vergessen in Lust und Scherz
Hat bald der Schiffer das treue Herz!
In neuem, seligem Liebesbunde
Vergessen jene glückliche Stunde!
Doch ihm zu eigen in treuer Lieb'
Das Herz der glühenden Nixe blieb;
Und Sehnsuchtstränen voll Schmerzensgluten
Vermischen sich mit den kalten Fluten.
Zum grünen Ufer, wo Blumen stehn,
Wo Bäume kühlende Schatten wehn,
Wo ausgeworfen die Angel hing,
Die Nixe suchend den Liebsten ging.
Da fand sie ihn endlich nach manchem Tage,
Nach manchen Nächten so kummervoll!
Da fand sie ihn endlich, und bange Klage
Aus ihrem liebenden Herzen quoll:

»O sei mein eigen in treuer Lieb'!
Die Wogen haben den Schwur gehöret,
Als du dies zärtliche Herz betöret!
O sei mein eigen! Dein Herz mir gib,
Daß nicht die Woge dir Rache schwöret!
Und rühret nimmer dich all mein Flehen,
So lerne anderes Wort verstehen,
Das unterm Herzen mir leis und bang
Dich ›Vater‹ rufet mit Liebesklang!« –

So fleht die Nixe und ringt die Hand
Und naht sich liebend dem grünen Strand
Und will ihn ziehen zu sich hinein;
Doch höhnend sieht er der Nixe Pein
Und stößt sie lachend hinab zur Welle,
Mit Sang verlassend die Trauerstelle.

Da wendet ringend in Qual und Weh
Die Nixe sich an des Stromes Fee,
Ihr klagend gleich einer Erdenmaid
Das tränenbittere Herzeleid;
Bang klagend über den teuren Mann
Und flehend sie um Erbarmen an. –

Doch weh! Es zürnet die Stromesfei!
Ihr Auge funkelt in Scham und Scheu!
Ihr Herz erbebet bei solcher Kunde!
Zur Strafe hebt sie empor die Hand,
Die Nixe samt ihrer Liebe Pfand
Verfluchend mit ihrem keuschen Munde.
Und sieh – nicht regt sich die Nixe mehr.
Da stehet sie wie ein Fels im Meer
Zu Stein verwandelt nun grau und alt –
Als ewig warnende Felsgestalt.

 
3.
Wieder fuhr im schwanken Kahn
Auf des Stromes leiser Bahn
Hin der Schiffer liebewarm,
Haltend nun sein Weib im Arm.
Wieder tönen seine Lieder
Froh und kräftig durch die Welt;
Aber plötzlich still er hält –
Denn er sieht die Nixe wieder!
Sieht die starre Felsenmasse,
Sieht das stiere, graue, grasse
Angesicht der Liebsten sein!
Da ergreift ihn heiße Pein,
Da ergreift ihn Schreck und Grauen,
Und sein Blut will stillestehen
In dem furchtbar stieren Schauen,
Denn er ahnet, was geschehen. –

Von Verzweiflung wild gejaget
Stürzt er in die grausen Schluchten,
Und die blasse Lippe klaget
Ob dem Stein, dem schwer verfluchten!
Und die Lippe ruft mit Beben,
Ruft mit heißem Seelenschrei
Zu der harten Stromesfei,
Diesen Zauberbann zu heben. –

Doch dieweil im schwanken Kahn
Harrt sein Weib mit Furcht und Grauen;
Immer, immer muß sie schauen
Dieses starr Gebilde an! –

Dreimal stieg die Sonn' herauf
Und beschien das Schreckgebilde;
Dreimal kam in seinem Lauf
Auch der Mond, der sanfte, milde;
Doch er ward zum Geisterschein,
Als er um den Felsen schwebte;
Banger noch das Herz ihr bebte,
Grausenvoller ward die Pein.

Aber immer harrt sie aus!
Harret, daß der Gatte kehre
Wieder aus dem Schluchtenhaus.
Horch – da hört man Raben krächzen!
Und aus tiefer Schlucht hervor
Kommen sie in schwarzem Heere,
Rufend in des Weibes Ohr
Ihres Mannes Todesächzen. –

Zitternd schleicht davon das Weib,
Doch es zieht mit ihr das Beben,
Und es wühlt in ihrem Leib,
Hemmet ihres Herzens Schlagen,
Und nach sieben Leidenstagen
Hat geendet sie das Leben.

 
4.
Die Schiffer ziehen voll leichtem Mut
Im schwanken Nachen durch Stromesflut,
Sie halten fröhlich den Schiffersang
Und lauschen munter dem Echoklang.

Doch horch – zu Ende ihr Liedchen geht!
Vor ihnen steinern die Jungfrau steht,
Vom Sturm verwittert das Angesicht,
Doch noch gelöset vom Banne nicht.

Denn drinnen lebet das Nixenkind,
Es stöhnet und ächzet durch Flut und Wind
Und wimmert schaurig die leise Klag',
Bis einst sie endet der Jüngste Tag.

 


 


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