Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Das seltsame Gastmahl

Von K. Egon Ebert.

            Einst lebt' ein Mönch zu Köln am Rhein,
Der manches Wunder schuf,
Halb in des Zaubrers argem Schein,
Halb in des Frommen Ruf;
Albertum Magnum hieß man ihn,
Und weil er immer hold erschien,
So war er gern gelitten
In Volks und Hofes Mitten.

Der ging den Kaiser Wilhelm an:
»Herr, oft an deinem Mahl
Hab' ich Bescheid dir schon getan
Aus goldenem Pokal;
Da du so lang geehrt mich hast,
So sei auch du einmal mein Gast
Mit deinen Dienern allen
In meinen Klosterhallen.«

Der Kaiser sprach: »Mein Wort zum Pfand;
Doch dich begreif ich kaum.
Hast du der Diener g'nug zur Hand
Und für uns alle Raum?
Für fünf ist schmal die Zelle dein,
Der Klostersaal ist eng und klein,
Wenn ich zu dir mich finde
Mit allem Hofgesinde.« –

»Drum laß du sorgen deinen Knecht,
Er wird sich Raum ersehn;
Es wird wohl alles gut und recht
Und nach Gefallen gehn.«
Hin ging der Mönch, als er so sprach;
Der Kaiser lacht' und blickt ihm nach:
»Das wird ein Gastmahl werden
Wie keines noch auf Erden!«

Doch als der Tag des Mahles kam,
Da rief er sein Geleit,
Und warm Gewand ein jeder nahm,
Ein pelzverbrämtes Kleid;
Denn draußen strich der Wind gar wild,
Die Straßen waren schneeverhüllt,
Die Flüss' und Bäch und Bronnen
Mit Eisglanz übersponnen.

Sie ritten vor das Klostertor,
Das weit schon offen war,
Albertus Magnus stand davor
In vieler Knaben Schar;
Der Knaben fünfzig, schön und zart,
Sie nahten sich mit feiner Art
Und nahmen ab die Rosse
Dem Kaiser und dem Trosse.

Dann ging der Mönch den Herrn voran
Durch manchen dunklen Gang,
Bis er ein Pförtlein aufgetan,
Draus Helle blendend drang,
Draus Helle wie vom sonn'gen Tag;
Sie kam vom Schnee, der üb'rall lag.
Da standen voll Erwarten,
Die Gäst' im Klostergarten.

Der Mönch schritt immer weiter fort,
Der Kaiser folgte stumm
Bis mitten in den freien Ort,
Dort sah er staunend um;
Dort stand die Tafel lang und breit
Und hundert Schüsseln drauf gereiht,
Doch unten Schnee und oben
Der Himmel dunstumwoben.

Wohl harrten fünfzig Knaben hier
In goldner Kleider Schein,
Wohl strahlte der Geschirre Zier,
Wohl funkelte der Wein;
Doch standen rings auch Baum und Strauch
Im Winterkleid, vom Reife rauch,
Und rauschten mit den Ästen
Willkommensgruß den Gästen.

Ein Murren schlich sich durch den Kreis,
Schon war's dem Schelten nah;
Und einer sprach zum andern leis:
»Der Teufel speise da!«
Doch weil der Kaiser ruhig war,
So blieb es auch die Dienerschar;
Sie setzten sich zu Tische
In dieser Winterfrische.

Da sprach der Mönch: »Ihr lieben Herrn,
Bei diesem Festgelag',
Da wolltet ihr gewißlich gern
Heut einen Sommertag.
Wohlan, ich bin der gute Mann,
Der nichts dem Gast versagen kann;
Es soll sich euer Willen
Im Augenblick erfüllen!«

Und einen Becher trank er aus,
Die Augen glanzerhellt,
Den andern goß er weit hinaus
Ins winterliche Feld,
Und wo ein Tropfen sich ergoß,
Der Schnee in weitem Kreis zerfloß,
Man sah hervor mit Blinken
Den frischen Rasen winken.

Und plötzlich hauchte linde Luft
Der Gäste Wangen an,
Und Wohlgeruch wie Veilchenduft
Strich sachten Zugs heran;
Am Himmel riß der Nebeldampf,
Es ward ein wilder Wolkenkampf,
Zuletzt mit warmem Strahle
Schoß Sonnenglanz zu Tale.

Da ward es oben licht und blau
Und unten mählich grün,
Der kalte Schnee ward weich und blau
Und floß in Strömen hin;
Die spitzen Halme strebten auf,
Und Knospen guckten frisch herauf,
Die Bäume, froh erschrocken,
Entschüttelten die Flocken.

Und wärmer ward der Sonne Blick,
Er borst des Springbrunns Eis,
Er schoß hinauf und fiel zurück
Und sprühte hell im Kreis;
Und in der Beete weitem Rund
Erblühten Blumen dicht und bunt,
Und rings begann an Zweigen
Sich Blüt' und Blatt zu zeigen.

Zugleich erhob sich wirrer Zug
Von Käfern aller Art,
Der Falter kam im leichten Flug,
Die Biene dicht geschart;
Und Zeisig, Fink und Nachtigall
Wetteiferten in hellem Schall
Und sangen frohe Lieder
Von allen Bäumen nieder.

Und während ihres muntern Sangs
Ging hoch die Sonn' empor,
Und heißer ward's, und mächt'gen Drangs
Stieg Blum' an Blum' hervor,
Zum Fruchtkeim ward die Blüt' in Hast,
Bald hingen rings an jedem Ast
Im goldnen Sonnenlichte
Die glutgereiften Früchte.

Wie staunten da den Wundermann,
Dem solch ein Werk gelang,
Der Kaiser und die Seinen an,
Halb froh und halb auch bang;
Sie starrten lautlos um sich her,
Der Ritter keiner murrte mehr,
Sie hatten all vergessen
Das Trinken und das Essen.

Zuerst erhob der Kaiser sich
Und sprach mit mildem Laut:
»Nicht fassen kann man sicherlich,
Was heute wir geschaut;
Doch danken wir dem Gastherrn gut,
Der uns erschuf die Sommerglut,
Und freuen uns aufs beste
Bei diesem Wunderfeste!«

Und weg warf er von Brust und Arm
Das lästge Winterkleid;
Die Speise war noch völlig warm,
Er tat ihr ernst Bescheid.
Und alle tranken nun in Ruh'
Gesundheit ihrem Wirte zu
Und freuten sich des Tages
Im Jubel des Gelages.

Erst als der Sonne Scheidestrahl
Schon trüb herniederfloß,
Erhoben sich vom reichen Mahl
Der Kaiser und sein Troß;
Der Mönch gab wieder das Geleit,
Und draußen fanden sie verschneit
In hochgetürmten Massen
Die hartgefrornen Straßen.

Da sprach der Kaiser: »Was wohl mag
So seltnem Wirt ich bieten
Für seinen goldnen Sommertag,
Die Lieder und die Blüten?
Du schufst im engen Klosterraum
Mir einen schönen, wachen Traum;
Auch ich lass' mich nicht schelten
Und will ihn dir vergelten.

Ich will in dein' und Klosters Hut
Zu ew'gem Angedenken
Der Güter mein das beste Gut
Mit Land und Leuten schenken.
Doch sorge wohl, daß Sonnenschein
Das ganze Jahr lang müsse sein
Und nimmer Winter werde
Auf deiner eignen Erde.«

»Herr Kaiser«, sprach der Mönch darauf,
»Auf das will ich verzichten;
Die Welt hat ihren rechten Lauf
Bei Schnee und Blüt' und Früchten.
Was heut, was einmal ist geschehn,
Das wird kein Auge wieder sehn,
Und nimmer ich's begehre,
Was dir geschah zur Ehre.

Der Himmel hat der Gaben viel,
Der Gnad' auf mich ergossen;
Doch brauch' ich sie zum falschen Ziel,
So mag er mich verstoßen.
Er half mir heute beim Gelag' –
Doch jeder Tag ist Sommertag,
An welchem sich in Treuen
Die Guten schuldlos freuen.«

 


 


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