Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Kloster Weyarn

Von H. Scharff von Scharffenstein. – Ob die Sage frei ist von Zutat des Dichters, ist nicht verbürgt.

              Über Berge, Tal und Höhen zieht Graf Siegebot zur Jagd;
Falkenstein, die hohe Feste, glänzet in des Frührots Pracht.

Mit ihm ziehn der Jäger viele und viel Bauern aus dem Rund;
Heute gilt's den Hirsch zu jagen stolz und kühn im Weyarngrund.

Auch die Gräfin, zart und schmächtig, steigt zu Pferd im Jagdgewand;
Eine Büchse an der Seite, einen Speer in weißer Hand.

Ihre blonden Locken fliegen, und ihr Reitkleid wogt und wallt;
Mit dem Lächeln sel'gen Glückes mißt der Graf die Huldgestalt.

Hunde, Bauern, Jäger ziehen froh daher die grüne Bahn,
Und die Gräfin auf dem Rappen eilt dem kühnen Troß voran.

In dem stillen Weyarngrunde, an der Mangfall kühler Flut,
Finden sie den Sechzehnender mit der Hirschin junger Brut.

Sieggewohnt und gute Schützin legt die Gräfin auf ihn an:
»Siegebot, wir wollen sehen, ob ich heute treffen kann.«

Doch der Kugel Macht und Stärke prallt am stolzen Hirschgeweih
Rückwärts, in der Gräfin Busen fährt das kalte Todesblei.

Leise stammelt sie 'ne Bitte, eh' ihr schönes Auge bricht;
Von des Gatten Arm umfangen flieht ihr Geist zu reinerm Licht.

Und die Bauern sprechen bebend: »Einen Hirsch mit junger Brut
Soll man nimmer zielen, jagen, wenn er bei den Seinen ruht.«

Ungefährdet mit der Herde zieht der Hirsch zum tiefern Wald,
Und zum Schlosse heimwärts ziehend dumpf der Jäger Horn erschallt.

Aber bald im Weyarngrunde wird es rege, wird es laut;
Auf Graf Siegebots Geheiße wird ein Kloster dort gebaut.

's ist der Gräfin letzte Bitte, die der Graf getreulich hält;
In des Klosters fromme Mauern dringt nicht das Geräusch der Welt.

Falkenstein ist halb zerfallen, einst'ger Größe stolzes Mal,
Aber aus dem Weyarnkloster tönt die Glocke noch durchs Tal.

 


 


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