Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Des Malers Rache

Von Julius Ruttor

            War einst ein junger Maler
Zu Würzburg, weltbekannt;
Sein Name wird in keiner
Der Chroniken genannt.
Doch lebt im Volkesmunde
Des Malers Rachetat;
Ich will es euch erzählen,
Wie sich's begeben hat.

Der Maler führt den Pinsel
Nach innerm Künstlerdrang;
Darum ihm auch vortrefflich
Des Heilands Bild gelang.
Und weit und breit erschollen
War unsers Malers Ruhm,
Und seine Bilder prangten
Im Tempelheiligtum.

Da war im Reuernkloster
Ein Mönch zur selben Zeit
Trotz seinem mächt'gen Geize
Im Ruf der Heiligkeit.
Der ließ den Maler kommen
Und sprach: »Mein lieber Sohn!
Mal unsrer Kirch' den Heiland,
Was heischest du für Lohn?« –

Der Maler sprach: »Zweihundert
Bezahlt der Gulden mir;
Ich mal' Euch unsern Heiland,
Schön soll er prangen hier.
Doch brauch' ich zwanzig Wochen,
Bis er vollendet ist;
Ich mal' mit allem Fleiße
Das Bild von Jesu Christ.«

Der Priester drauf versprach ihm
Den ausbedungnen Lohn;
Der Maler ging zur Arbeit
Voll Eifer gleich davon.
Und als die zwanzig Wochen
Vorbei, die Arbeitsfrist,
Da ist das Bild vollendet,
Das Bild von Jesu Christ.

Er tritt mit seinem Bilde
Zum greisen Prior hin;
Doch dieser will vom Lohne
Die Hälfte weg ihm ziehn.
Da wird der Maler zornig,
Vernichtet rasch das Bild
Und droht dem Mönche Rache,
Sein Auge rollet wild.

Der Maler eilt nach Hause,
Im Herz der Rache Plan:
»Dich soll man immer schauen,
Weil du mir so getan.«
Und schon am andern Tage
Wird neu ein Bild bestellt,
Wo Christus wird gezeiget
Der schlimmen Judenwelt.

Dies Bild soll in dem Dome
Dort am Altare stehn.
Hört nun, was von dem Maler
Dem Mönchen ist geschehn.
Er malet den Pilatus,
Wie er den Heiland zeigt
Und sich zum Judenvolke
Vom Altan sprechend neigt:

»Seht da den Judenkönig!
Seht euren Meister an!« –
Da schrie das Volk der Juden
In seinem irren Wahn:
»Ans Kreuz mit dem Betrüger,
Er sprach dem Kaiser Hohn;
Den Tod soll er erleiden
Als seiner Taten Lohn!

Und in der Juden Mitte,
Da sieht man einen Mann
Mit einem weißen Mantel,
Hat braune Kutte an.
Das Haupt ist ihm geschoren,
Er streckt den Arm empor
Und feuert an zum Rufen
Des Judenvolkes Chor.

Und dieser ist der Prior. –
Der Maler Rache sann,
Er zeichnet' ihn noch schlechter
Als jeden jüd'schen Mann.
Der Maler ist vergessen,
Ihn nennt kein Chronikbuch,
Doch jenen geiz'gen Mönchen
Verfolgt der Rache Fluch.

Ihn schaust du auf dem Bilde
Zu Würzburg in dem Dom,
Wie er dem Volk der Juden
Anregt der Bosheit Strom.
Der Maler ist vergessen,
Sein Nam' wird nicht genannt;
Doch seine grimme Rache
Zeigt des Altares Wand.

 


 


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