Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die Sage von der alten Burg bei Röttingen

Außerhalb des Hundheimer Tores an der Straße nach Tauberrettersheim sieht man ein Kreuz in eine Weinbergmauer eingemauert, an dem – obwohl etwas verwittert – eine ausgehauene weibliche Figur noch erkennbar ist.

Diesem Denkstein gegenüber auf dem jenseitigen (linken) Ufer der Tauber erhebt sich eine kleine Anhöhe mit Spuren übergrasten Mauerwerks. Dort stand vorzeiten eine Burg, die ein Ritter mit seiner einzigen Tochter bewohnte. Trauriges Geschick hatte die Seele des Mannes mit Unmut verdüstert, so daß es für ihn keine Freude mehr gab, als der Jagd obliegen und die Hirsche und Wildschweine zu Tode hetzen.

Seine Tochter war schön von Gestalt und engelgleich an Gemüt, aber sie hatte traurige Tage, denn sie mußte alle trübe Laune und allen Unmut des Vaters über sich ergehen lassen. Ein edler Jüngling der Nachbarschaft gewann ihre Zuneigung, allein der Vater hatte schon lange für sie beschlossen, daß sie den Schleier zu Schäftersheim nehmen sollte. Die Jungfrau fühlte keine Berufung dazu, vielmehr erwiderte sie die Liebe des Jünglings wohl in der Hoffnung, der Vater werde schon noch seine Einwilligung geben. Aber der Alte blieb hartnäckig bei seinem Beschluß, ja er nahm sich sogar vor, beim ersten Anlaß das bereits aufkeimende Liebesglück mit Gewalt zu zerstören.

Eines Tages, als er von der Jagd zurückkehrte, war seine Tochter nicht zu Hause zu treffen. Vergebens ließ sie der Alte in jedem Winkel des Schlosses suchen, endlich hinterbrachte man ihm, wie das Mägdlein in traulichem Zwiegespräch mit seinem Geliebten draußen am Ufer der Tauber lustwandle. Kaum hatte der Ritter die Botschaft vernommen, als er wütend nach seinem Geschoß griff, hinaus vor die Burg eilte und den Jüngling noch von weitem mit einem Pfeil durchbohrte. Seine Tochter ließ er lebendig einmauern.

Er selbst aber fand auf Erden keine Ruhe. Eines Tages soll er spurlos verschwunden sein; die herrenlose Burg fiel in Schutt und Trümmer.

 


 


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