Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Pater Athanasius Kirchers merkwürdige Vision

Im Jahre 1631 lebte im Kollegium der Jesuiten zu Würzburg Pater Athanasius Kircher, geboren zu Geysa im Stift Fulda 1602; ein Mann von seltenen Talenten, ausgebreiteten naturwissenschaftlichen und Sprachkenntnissen, als öffentlicher Lehrer an der damals sehr besuchten Julius-Universität allgemein hochverehrt. Es war um jene verhängnisvolle Zeit, als die Bewohner Würzburgs mit ängstlicher Gemütsspannung dem entscheidenden Zusammentreffen der beiden in Sachsen sich drohend gegenüberstehenden Heere der Liga und der Schweden entgegenharrten und deshalb in allen Kirchen der Stadt ein allgemeines Gebet für das Waffenglück des katholischen Heeres angeordnet war, denn es ging das Gerücht, der nordische König wolle seinen Heereszug auf die »Pfaffenstraße« durch Franken nach dem Rhein hin lenken.

Gegen Mitternacht nach dem blutigen Tag bei Leipzig am 7. September (an dem Gustav Adolf die Macht der Liga und des Kaisers vernichtete), erwachte Pater Kircher plötzlich aus dem Schlaf, verließ, von innerer Unruhe gequält, das Lager und schaute durch das geöffnete Fenster seiner Stube in den Hof des Gartens des Kollegiums hinab. Siehe – da erblickte er diesen ringsum von magischen Feuerflammen beleuchtet und mitten in der Lohe zwei Haufen lustiger Kriegergestalten zu Fuß und zu Roß, in einem heftigen, aber geräuschlosen Kampf begriffen. Sprachlos vor Schrecken eilt Kircher aus dem Zimmer, um den Pater Superior des Kollegiums von der wunderbaren Erscheinung zu benachrichtigen, kehrt aber sogleich wieder zurück, aus Besorgnis, seine erhitzte Phantasie möchte ihm ein falsches Trugbild vorgespiegelt haben. Er beschaut sich zum zweiten Mal den feurigen Kampf im Hof und eilt zum zweiten Mal zum Superior.

Auf dem Weg dahin befallen ihn neue Zweifel an der Wirklichkeit der unglaublichen Erscheinung, und nun wird er zum dritten Mal Augenzeuge der gespenstischen Schlacht, die jedoch nun allmählich zu verschwinden beginnt.

Kircher erzählte am folgenden Morgen das nächtliche Schreckbild in seiner Vorlesung mit der Versicherung, es gelte dies einer Niederlage des katholischen Heeres, und dem Kollegium drohe naher Verfall. Wirklich bewährte ein baldiger Erfolg die traurige Vorhersage. Bereits nach Monatsfrist fiel die Grenzfestung Königshofen am 7. Oktober und am 15. Oktober die Hauptstadt Würzburg in die Hände der siegreichen Schweden. Kircher selbst floh mit den anderen Mitgliedern des Ordens nach Italien, ging für die Hochschule verloren und starb hochbetagt 1680 in Rom.

Sein Lieblingsschüler und Ordensbruder Kaspar Schott, geboren 1608 zu Königshofen im Grabfeld, gestorben 1666 als Professor der Mathematik an der Würzburger Universität, hat diese Vision aus Kirchers Mund vernommen und in seiner »Kuriösen Physik« aufbewahrt.

 


 


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