Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Der Burggeist auf der Skorzenburg

Die Burg heißt urkundlich: Scowenburch (1104), Scoynburg (1120), Scouenburch (1148), Schauenburg (1200).

In geringer Entfernung von Ohlstadt erhebt sich ein waldiger Felsen, von dessen Höhe man weithin die ganze Gegend überschaut, gewöhnlich die Skorzenburg genannt. Man erzählt noch, wie diese Burg vormals eine mächtige und berühmte Feste gewesen sei, wie zuerst die Skyren, dann die Schenken und zuletzt die Chamer da geherrscht hätten, bis die Münchner in einer Fehde mit Gebhard von Chamer herangezogen seien, die Burg mit einer eisernen Kanone elf Wochen lang belagert und endlich von Grund aus zerstört hätten. Dabei sollen die tapferen Hofmärkler den Münchnern in einem Hinterhalt aufgelauert und die eiserne Kanone abgejagt haben.

Von dieser vormaligen Burg geht unter dem Volk noch eine Sage, die der Schreiber bei einem Besuch des Felsens aus dem Mund eines achtzigjährigen Mannes vernommen hat.

Die Erzählung lautete:

»Es mögen etwa zwanzig Jahre her sein, da war ich auf der Feste und schaute hinaus in das Weite. Auf einmal hörte ich Fußtritte hinter mir, und als ich umschaute, stand ein Mann in meiner Nähe, der weitum als Wilderer bekannt und, ich darf schon sagen, berühmt war. Er kannte alle Stellen, über die die Hirsche und Rehe wechselten; und wo immer Lehmhalden waren und die Gemsen ästen, da fand er hin. Aber den Gamsanderl kannten auch alle Jäger, und vor ihnen mußte er flüchten wie die Gemsen vor ihm. Diesmal sah er sehr verdrießlich aus; denn er hatte keinen Schuß getan; zudem hörte er die Hunde eines Jägers anschlagen und mußte auf seine Sicherheit bedacht sein.

›Rautner‹, sprach er und warf den Stutzen auf die Erde, ›ich gebe dieses Gewerbe auf und will fortan ehrlich leben. Du kannst mir dazu behilflich sein – und kannst selbst glücklich werden. Da unten im Felsen – in der zweiten Kammer, die mit einer eisernen Tür verschlossen ist – ist ein Schatz, der leicht zu heben wäre, wenn nur die Tür nicht hinderte. Doch mit deiner Axt und deiner Beihilfe hoffe ich sie aus den Angeln zu heben; komm mit mir!‹

Er stieg voraus in die Öffnung hinab, die man in der Mitte des Felsens gewahrt, und ich folgte nicht ohne Schauder und Furcht nach. Als wir uns einige Schritte durch Schutt und Steingeröll durchgearbeitet hatten, betraten wir eine halbverfallene Stiege aus Stein, die uns tief und tiefer hinabführte, bis wir in eine aus dem Felsen gehauene Kammer kamen. ›Das ist die erste Kammer!‹ sagte der Wilderer, schlug Feuer und zündete eine Wachskerze an, die er in seinem Bergsack mit sich trug.

Bald sah ich auch die eiserne Tür, der sich Anderl bereits genähert hatte, um die Axt zwischen Tür und Pfosten zu zwängen. Aber innen in der Kammer hörten wir eine Stimme, die dem Anderl wie aus dem Grab hohl tönte, mir aber hellklingend wie der Ton eines Silberglöckleins vorkam, zweimal rufen: ›Gleich! Gleich!‹

Bebend vor Schrecken ergriffen wir beide die Flucht. Wie wir aber über die gebrechliche Stiege durch den Schutt und das Geröll wieder zum Tageslicht kamen – ich weiß es nicht! Nur das weiß ich, daß der zweimalige Ruf ›Gleich! Gleich!‹ oben noch lange in meinen Ohren widerhallte und daß unten meine Axt lag und Anderls Perspektivlein, das er mir im Hinuntersteigen zum Halten übergeben hatte.

Oft denke ich an diese Begebenheit, und immer durchrieselt mich ein eiskalter Schauer. Nie habe ich glauben wollen, daß auf der Feste ein Burggeist haust, dessen hohler Zuruf dem vorübergehenden Holzer Unglück, dessen hellklingender Ruf Glück bei der gefahrvollen Arbeit verkündet; jetzt aber glaube ich beides. Denn der hohle Ruf des Burggeistes war auch für den Gamsanderl von schlimmer, sehr schlimmer Bedeutung. ›Gleich! Gleich!‹ rief es tief unten im Felsen, und Anderl sollte gleich – schon am anderen Tag – tief unten in einer Felsenschlucht der Berge sein Grab finden. Er sprang, verfolgt von einem Jäger, über eine Wand, und niemand hörte weiter von ihm.«

 


 


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