Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Das Grab der Liebenden

Sage von der Burg zu Knezgau im Ldg. Eltmann am Main.

Kuno von Haßberg galt weit und breit als einer der reichsten und mächtigsten Herren fränkischer Ritterschaft. Er veranstaltete einst zu Ehren seines einzigen Töchterleins, als es den sechzehnten Geburtstag erlebte, ein festliches Jagen. Auch Minna nahm daran teil. Unversehens war sie beim Verfolgen eines Hirsches vom Gefolge abgekommen. Nach langem Herumirren stieg sie ermüdet vom schnaubenden Roß und lagerte sich, um ein wenig zu ruhen, auf ein moosbewachsenes Plätzchen.

Da krachte es plötzlich durch die Zweige, und ein gewaltiger Eber nahte sich dem erschrockenen Fräulein. Entsetzt rief sie um Hilfe, noch einen Augenblick, so hätte der Hauer des Tieres ihr Kleid erfaßt – da traf ein Jagdspeer von starker Hand die Bestie und diese röchelte in ihrem Blut. Ein Knappe war es, der, von Gott gesandt, das Leben des Fräuleins gerettet hatte. Noch lag sie ohnmächtig zu Boden, Adolf richtete sie auf – Blicke des Dankes und der Liebe begegneten ihm. Von dieser Stunde an war zwischen beiden ein stiller Bund geschlossen. Minna hielt es für Sünde, noch einem anderen ihr Herz zu weihen.

Lange Zeit blieb dieses Verhältnis den Augen der Welt verborgen. Endlich kam es bei einem Festmahl zutage, als das Fräulein dem Knappen mit Hintansetzung edler Ritter Beweise der Zuneigung gegeben hatte. Kaum gelangte die Kunde davon zu den Ohren des Vaters, als der unglückliche Knappe sogleich verstoßen, das Fräulein aber auf einige Wochen in die Haft ihres Kämmerleins gebracht wurde, um sich die sträflichen Gedanken aus dem Sinn zu schlagen.

Indessen hatte die Strenge des Vaters nichts besser gemacht. Das Fräulein fand dennoch Gelegenheit, mit dem verstoßenen Jüngling zusammenzukommen; aber auch der Alte erhielt Nachricht davon und beeilte sich nur um so mehr, die Verlobung seiner Tochter mit einem reichen, ebenbürtigen Ritter zustande zu bringen.

Als der festgesetzte Tag der Hochzeit herangekommen war, wurde die Braut halb ohnmächtig in die Kirche geführt und ihre Hand in die Rechte des Bräutigams gelegt. Totenblaß verließ die Jungfrau die Kirche; als es danach zum Festmahl ging, schlich sie unbemerkt auf eine Zinne des Schlosses und stürzte sich verzweifelt in die Tiefe.

Ihr Getreuer hatte sich auf die Kunde von der stattfindenden Verlobung in die Nähe der Burg begeben. Er hoffte, das Fräulein noch einmal auf der gewohnten Zinne zu sehen und noch einmal von ihr gegrüßt zu werden. Als er nun ihre Leiche zerschmettert am Boden fand, da soll er sie verzweifelt umschlungen und auch sich zur Stelle den Todesstoß gegeben haben. So fand man ein Leichenpaar. Als dem Alten die Kunde hinterbracht wurde, stürzte er tot zu Boden. Mit ihm starb der letzte Sproß eines berühmten Geschlechts. Die beiden Liebenden wurden in einem Grab vereinigt.

Die Zeit hat keine Spuren davon hinterlassen, aber im Munde des Volkes lebt noch die Sage von dem unglücklichen Ausgang des edlen Geschlechts, und noch wird eine Stelle als das Grab der Liebenden bezeichnet.

 


 


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