Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die Nymphen von Castell

Von Philipp Scherl

1.

        Auf Flachstein, moosumgürtet,
Im Glanz der Mitternacht,
Hält Lula mit Wellentöchtern
Einsame Brunnenwacht.

Sie bringt das wimmernde Wasser
Heut nicht zum leisen Gang,
Fern aber aus Tannenwölbung
Rauschet Tanz und Gesang.

Und die Töchter, schön und lüstern,
Umrücken die Mutter ganz:
»Da drüben ist Pomp und Hochzeit,
Führ uns zum Buhlentanz.«

Die Mutter aber seufzet:
»O Kinder, schweifet aus,
Nur kehrt bei Todesahnung
Heut bald ins Wellenhaus.«

 
2.

                Blank leuchtet im gewölbten Saal
Der Glanz und goldne Flitter,
Es flammt der Kelch, es dampft das Mahl,
Und taumelnd sinkt der Ritter.
Graf Otto, wie der Templer kühn,
Rigissa, zart, wie Lilien blühn,
Bejahten heut die Frage
Und hielten Brautgelage.

Und jetzo vom Geländer hoch
Hört man den Takt erschallen,
Und brausend in die Runde flog
Der Wirbel der Vasallen.
Der frische Blick, das graue Haar –
Wie kettet flink sich Paar an Paar,
Doch leis', wie Lüfte schleichen,
Tanzt Gräfin ihren Reigen.

Da plötzlich springt das Flügeltor:
Drei Mädchen zum Entzücken
Mit Schneegewand und Silberflor
Verneigten sich den Blicken.
Ein Krönchen schließt das blonde Haar,
Der Gürtel flimmert wunderbar,
Und alles auf dem Feste
Umdrängt die schönen Gäste.

Und stolz am Arm der Ritter zog
Die Nymphe durch die Hallen,
Und brausend in die Runde flog
Der Wirbel der Vasallen.
Sie schwenkten rasch nach altem Brauch
Wie Donnersturm und Zephyrhauch
Und tanzten ohne Wanken
Bis Mond und Stern' versanken.

»Schön' Dank, ihr Herrn, der Dämmer bricht,
Zum andernmal dann wieder!«
»Was, Schönste, was? Doch scheiden nicht?
Frisch auf, ihr flinken Brüder!«
Das Zeichen tönt, die Tücher wehn,
Die Zimbel rauscht, die Tänzer stehn,
Und flüchtig um die Wette
Schlingt Kette sich an Kette.

»Der Schatten zieht, die Wolken ziehn;
O Ritter, tanz zu Ende!«
»Ha, Jugendblut, ha, Flattersinn,
Wer dreht sich da die Hände!«
Und Sang und Klang und Wirbellust
Betäuben die beklemmte Brust,
Und laut vom wilden Schalle
Erzittert Dach und Halle.

»O hörst du nicht? Das Schluchzen nicht?
Das Wimmern aus den Teichen?« –
»Mein Kind, was soll das Traumgesicht?
Zum letzten noch den Reigen!«
Und Sang und Klang und Wirbellust
Betäuben die beklemmte Brust,
Und laut vom wilden Schalle
Erzittert Dach und Halle.

Verlockter Leichtsinn, frevle nicht!
»Ich zitt're schon, ich ahne!«
Weh! Weh! Dort blitzt das Morgenlicht,
Laut flatternd krähn die Hahne.
Und jach, wie Sturm die Wälder schreckt,
Entsetzt und bleich und schweißbedeckt,
Entstürzen – hilf, Erbarmen –
Die Schwestern aus den Armen.

Und Knapp' und Ritter fliegend auf
Und drein mit Ruf und Winken,
Bis in des Strudels Kreisellauf
Die Jammernden versinken.
Erschrocken blickt der Schwarm hinab,
Dumpf wimmernd stöhnt das feuchte Grab,
Und aus der Höhlung quellen
Drei dunkelblut'ge Wellen.

Jetzt blickt die Feste öd und leer
Aus moderndem Gesteine,
Die gute Nymphe spielt nicht mehr
Im lauen Mondenscheine.
Der Quell, der einst so munter floß
Und Kraft und lindes Heil verschloß,
Schleicht trauernd durch die Gründe –
Ein Bild gestrafter Sünde.

 


 


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