Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Hans Wildensteiner

Von Karl Schramm. – Wildenfels, auch Wildenstein: Ruine im Ldg. Gräfenberg.

1.
              Hans Wildensteiner spellt wie Holz
Der Gegner Schild und Schädel,
Zwar ist der Herr ein Hagestolz,
Doch abhold keinem Mädel.

Er mag die Blümlein dort im Tal
So mir nichts, dir nichts brechen,
Doch will ihn eine zum Gemahl,
So ist er nicht zu sprechen.

So wob er argen Zeitvertreib,
Bis sich sein Schiff verwirrte
Und ihn ein wohlgewitzigt Weib
Zum Ehversprechen kirrte.

Sidonia, das Töchterlein
Des Kastellans im Schlosse,
Zieht unsern tollen Wildenstein
Von seinem hohen Rosse.

Auch Simson fiel durch Weiberlist,
Doch Hans spricht: »Ich bedinge,
Wofern das erst' ein Mädel ist,
Daß aus der Burg man's bringe.

Erziehen laß ich's – nur nicht hier
Und nicht auf meinen Namen –;
Ein Bube nur kann passen mir
In meines Stammbaums Rahmen.«

Was meint dazu Sidonia? –
Sie läßt den Pakt geschehen
Und denkt: Ist erst das Kindlein da,
Wird man ja weitersehen.

 
2.
Im Jahre vierzehnhundertsechs
Begab sich diese Märe;
Neun Monat drauf bedroht ein Klecks
Des Wildensteiners Ehre.

Denn weh' – es hat Sidonia
Ein Mägdlein ihm gegeben
Und fleht den eisernen Papa:
»Laß in der Burg es leben!«

Der Ritter knirscht: »O weh mir Tor!
Ist's immer doch gelungen
Als Junggesellen mir zuvor,
Daß ich erzielte Jungen.

Das schafft die Ehekrüppelei!
Zu spät nun kommt die Lehre. –
Durch einen Streich ist's nun vorbei
Mit Manns- und Ritterehre!«

Allein durch Schmeicheln treibt alsbald
Das Weib ihn in die Enge,
Sie rühmt des Mägdleins Kraftgestalt
Und mildert Hansens Strenge.

Und als die Schlaue Tag für Tag
Ihn mürber macht durch Kosen,
Da spricht er: »Nun, so geb' ich nach;
Steckt nur die Dirn in Hosen!«

Drob fühlt des Weibes Herz sich frei,
Halb ist ihr Plan gelungen;
Denn wißt, sie hat der Kinder zwei:
Die Maid und einen Jungen.

Den Jungen schickt der Köhlersfrau
Sie hin als seiner Ammen,
»Dort wachs' er auf«, so denkt sie schlau,
»So wahr' ich sie zusammen.

Bis Hans die Maid erst liebgewann,
Bleib' ihm der Bub verborgen;
Dann ist, daß er sie missen kann,
Wohl ferner nicht zu sorgen.

Mein Hänsel tapp' im Finstern fort,
Bis beide aufgeschossen,
Dann grüßt ihn ›Vater‹ hier am Ort
Die Maid samt dem Genossen.« –

Der Wildensteiner ist besiegt,
Doch läßt er vor den Leuten,
Ein Knäblein werd' im Schloß gewiegt,
Aufs sorglichste verbreiten.

Und »Guido« wird die Maid genannt,
Zu Hansens Augenweide
Sieht er sie schon am Gängelband
Im derben Junkerkleide.

Die Dirne scheint, je mehr sie schreit,
So mehr ihm zu gefallen,
Nur möcht' er Sporen ihr schon heut
An ihre Fersen schnallen.

Sie wächst heran gar frisch und frei,
Von keckem Mut besessen;
Daß Guido doch kein Junge sei,
Hat Hans schier ganz vergessen.

Er nimmt sie mit ins Jagdrevier
Und schickt sie mit Geleite
Im Waffenschmucke zum Turnier
Gar häufig in die Weite.

Ihr Bruder auch wuchs ungenannt
Zum Burschen auf im Walde;
Von ihm, der Guido auch genannt,
Erzähl' ich euch nun balde.

 
3.
Des Pottensteiners Hifthorn schallt,
Und seine Rüden bellen,
Der Bolzen von der Sehne prallt,
Die wilde Sau zu fällen.

Er selber stürzt dem Troß vorauf
Mit eingelegtem Speere,
Da jählings stutzt im mitten Lauf
Die schweißbedeckte Mähre.

Zur Rechten bricht die Sau sich Bahn
In unbewachtem Sprunge,
Und von der Linken tritt heran
Ein engelgleicher Junge.

Verwundert steht er vor dem Roß,
Erstaunt vor ihm der Reiter,
Wie eingewurzelt steht der Troß
Und kam bestürzt nicht weiter.

»Hat sich das schwarze Borstentier
Des Zaubers schnell entledigt,
Daß nun der schöne Bursche hier
Hervortritt unbeschädigt?«

Doch Guido löst den Zweifel bald
Und grüßt sie sonder Bangen:
»Helft mir zurecht, ich bin im Wald
Schon lange fehlgegangen!«

Herr Kuno steigt von seinem Pferd
Und spricht zum Knaben milde:
»Du scheinst mir bessern Schicksals wert;
Wie kommst du hier ins Wilde?

Willst mit mir ziehn als Jagdgesell
Und meinen Speer mir tragen?« –
Der Guido spricht: »Ich tät's zur Stell',
Müßt meine Mutter fragen!«

»Sag an, ist deine Mutter weit?
Sag an, in welchem Schlosse?
Denn trägst du gleich ein Köhlerkleid,
Bist doch kein Köhlersprosse!

Komm, Junge, auf mein Roß hierher,
Und schone deine Sohlen;
Du scheinst vom Weg ermüdet sehr,
Die Mutter lass' ich holen.«

Dem grauen Barte traut der Knab',
Und beid' auf einem Rosse
Erscheinen bald in muntrem Trab
Auf Kunos hohem Schlosse.

Die Amme wird sogleich besandt,
Um auf die Burg zu kommen,
Sie sagt, daß sie das Kind einst fand
Im Forst – sonst nichts vernommen.

Mit einem Handgeld schwer und rund
Schickt Kuno sie zurücke,
Sidonia hört aus ihrem Mund
Erfreut des Sohnes Glücke.

Der wächst in Pottensteins Bereich
Heran zum kühnen Recken,
Wird täglich mehr der Schwester gleich;
Nun hört, wie sie sich necken!

 
4.
Der Apfel fällt nicht weit vom Ast,
Das ist ein altes Sätzchen,
So findet auch Herrn Kunos Gast
im Schlosse bald ein Schätzchen.

Des Alten Bäschen, Agnes, steckt
Dem Burschen recht im Sinne,
Wiewohl sie ihn nur kindisch neckt
Und er sie zwickt am Kinne.

Doch fliehn sie nicht das Tageslicht,
Den alten Herrn noch minder,
Drum stört er auch ihr Glücke nicht
Und spricht: »Es sind ja Kinder!

Die arme Waise Agnes kann
Der Guido immer minnen;
Wird er dereinst ein Rittersmann,
So führ' er sie von hinnen.

Der Bursche ist zwar frisch und frei
Und darum wohl zu loben,
Doch ob er auch beständig sei,
Das will ich nun erproben.

He, Guido, komm einmal herein!
Du mußt nach Fulda reiten;
Bald werd' ich selbst zur Stelle sein,
Und dich zurückgeleiten.

Du bringst dem Abte meinen Gruß
Und meldest mein Erscheinen.
Nun gebt euch nur den Abschiedskuß,
Und, Bäschen, laß das Weinen!« –

Schon steckt der Bursch im Reisekleid,
Schon schwingt er sich zu Rosse,
Vom Söller winkt ihm nach die Maid,
Trüb lenkt er aus dem Schlosse.

Er reitet seiner Straßen nach,
Doch Kuno, an der Seite
Sein Bäschen, fährt am andern Tag
Zum Vetter in die Weite.

Der Vetter Ulrich nämlich hält
Sein golden Hochzeitsfeste,
Er hat ein Stechen angestellt
Und alles auf das beste.

Das Bäschen Agnes soll den Preis
Den jungen Kämpen spenden;
Da wird ihr plötzlich kalt und heiß –
Der Kranz entfällt den Händen –,

Denn – Guido blickt zu ihr hinauf!
So kam er auch zum Stechen?
Man sieht ihn in gestrecktem Lauf
Die Lanzen alle brechen.

Dann denkt sie wieder, in dem Mann
Doch nicht den Freund zu finden;
Da äugelt er so traut ihr zu,
Daß alle Zweifel schwinden.

Herr Kuno runzelt das Gesicht
Und murrt: »Dich wähnt' ich weiter.«
Doch da er Lanz' auf Lanze bricht,
Wird auch der Alte heiter.

Er spricht zu Agnes: »Nun, das Fest,
Das will ich ihm nicht stören;
Wenn er daheim sich blicken läßt,
Soll er sein Sätzchen hören.«

Der Abend kommt, die Sieger stehn,
Die Preise zu empfangen;
Da hört man ein Gerede gehn:
»Die Dam' ist durchgegangen!

Es hat der fremde Rittersmann
Reißaus mit ihr genommen,
Als bestem Preis, den er gewann,
Und soll noch wiederkommen!«

Man sieht den alten Pottenstein
Erglühen und erblassen,
Er flucht: »Hätt' ich im Forst das Schwein
Statt deiner nicht gelassen!

Doch Ehrenschänder, denk an mich!
Du zahlst es mit dem Leben. –
Sitz auf, mein Troß, und tummle dich,
Den Räuber aufzuheben.

Auch zieh' ein Trupp auf Fulda zu
Ob er schon dort gewesen. –
Ha, treuer Bote, warte du,
Will dir 's Kapitel lesen!«

 
5.
Entführung ist ein Risiko,
Nur selten gutgegangen;
Auch unserm Pärchen geht es so:
Schon sind sie eingefangen.

Das Fräulein kommt auf Kunos Schloß,
Um dort sich zu erquicken,
Den Guido bringt der stärkre Troß,
Auf Ulrichs Burg in Stricken.

Schon tritt er zum Verhöre vor,
Geknebelt und gebunden.
Herr Kuno rüttelt ihn am Ohr
Und spricht: »Heran den Kunden!

Man hat ihn, Bursch, auf frischer Tat
Als Weiberdieb gefangen!« –
Der Guido spricht: »Ich gab nur Rat,
Da ist sie mitgegangen.« –

Herr Kuno brummt: »Wer wies die Spur
Dir unerfahr'nem Jungen?« –
Der Guido spricht: »Wir zwitschern nur
So, wie die Alten sungen!« –

»Ha, kecker Bursche, sachte, sacht!
Ich will den Weg ihm weisen. –
Legt ihn, beraubt der Rittertracht,
Im Burgverlies in Eisen!«

Da fleht der Bursch: »Befreit zuvor
Vom Harnisch meine Glieder.« –
Gestattet wird's, da taucht empor
Im seidnen Frauenmieder,

Dem Guido zwar an Antlitz gleich,
Doch auch vom Kopf zur Zeh'
Nicht völlig Guido, anmutreich
Ein Weib, gleich einer Fee.

Die Knappen weichen scheu zur Seit',
Herr Kuno reibt die Wimper
Und knirscht: »Seit meiner Jugendzeit
War ich nicht solch ein Stümper!

Da hätt' ich durch sechs Panzer doch
Solch Jüngferlein entdecket,
Und nun im Alter werd' ich noch
vom schönsten Weib genecket.

Ei, tritt doch näher, Weiblein süß,
Das Blatt hat sich gewendet;
Nicht kommst du jetzt ins Burgverlies.
Wer hat dich hergesendet?

Ich wittre einen Unterschleif,
Du scheinst mir nur verleitet;
Der Guido, glaub' ich fest und steif,
Hat mir den Spuk bereitet.« –

Indes der Alte so scharmiert,
Bringt man im Reisekoller
Den andern Guido eskortiert –
Nun wird das Ding noch toller!

Der Alte traut den Augen nicht:
»In Fulda doch gewesen?«
Indes er einen Brief erbricht,
Des Abtes Gruß zu lesen.

Er liest: »Herr Ritter, Gruß und Glück!
Hier send' ich Euren Knaben,
Der hier die Sporn erwarb, zurück,
Möcht' ihn wohl länger haben.« –

»Wie? Alle Wetter – und du wärst
In Fulda doch gewesen?
Daß du erst jetzt zurückekehrst? –
Ich muß noch einmal lesen!

›Den Knaben – Sporn erwarb‹ – ei du
Wärst Ritter? Wunderdinge!
So schnür mir doch den Hals nicht zu,
Befrei mich aus der Schlinge!« – –

»Herr Kuno«, spricht der junge Mann,
»Wie sehr ich mich auch stemme,
Mich ficht der Spuk wohl ärger an,
Ich sitz' erst in der Klemme.

Von Fulda holt mich Euer Troß;
Gern weilt' ich dort noch länger,
Statt hier in dem – verwünschten Schloß
Der Feen und Doppelgänger!«

Da tritt Hans Wildensteiner ein
Und grüßt mit hellem Lachen
Sein halbumschientes Töchterlein
Und ruft: »Laßt mich nur machen!

Mein Weiblein hat so manches Jahr
Mir nun den Spuk getrieben,
Erst heute machte sie mir's klar,
Was mir versteckt geblieben.

Zwar war ich anfangs bärenwild,
Doch bald der Zorn gelinder;
Die Liebe macht selbst Löwen mild –
Kommt näher, meine Kinder!

Zwei Guidos nenn' ich heute mein,
Zwei auserwählte Recken –«
Da tritt auch Frau Sidonia ein;
Hans bleibt im Reden stecken.

Sie geht dem Alten um den Bart:
»Nun hast du ja den Jungen!
Nicht länger sei das Mägdlein zart
In Eisenblech gezwungen!« –

Da schwillt ihm noch einmal der Kamm,
Kaum geht's ihm von der Zungen:
»Wie? Denkt ihr nun, ich ward zum Lamm?
Sie bleiben beide Jungen!«

Da heben beide Guidos an:
»Ach, Vater, nicht mehr necken.« –
Drob läßt der weich gewordne Mann
Die Maid in Röcke stecken.

Und Siddi wird sie umgenannt;
Auch Agnes tritt, zum Orte
Zurückgekehrt, an Siddis Hand
Herein zur Saalespforte.

Nun wird der Wirrwar ganz entdeckt,
Zum Guido spricht die Schwester:
»Du hast mich oft genug geneckt,
Hier neckt' ich dich, mein Bester!

Die Mutter konnte nur erst heut
Gelegenheit erspähen,
Daß beid' uns zu derselben Zeit
Des Vaters Augen sähen.« –

Hans spricht zur Gattin: »Nun, fürwahr!
Du hast es fein gewoben;
So wahrte List das Zwillingspaar,
Jetzt muß ich selbst dich loben!«

Ein Tusch erschallt zum Dankeskuß,
Und alle Saiten schwirren,
Zum Tanze hebt sich jeder Fuß
Und Liebesblicke irren.

Der Vetter Ulrich schleift voran,
Die alte Hälft' im Arme,
Auch Hans tut alles, was er kann,
Und Kuno hinkt im Schwarme.

Nicht lange sagt das Drehen zu,
Es zieht sie hin zum Humpen,
Doch läßt sich bei der Alten Ruh'
Das junge Volk nicht lumpen.

Daß Guido – husch! – das Bäschen dreht,
Das brauch' ich nicht zu sagen,
Und ob sein Glück bald vorwärtsgeht,
Wird keiner zweifelnd fragen.

»Da ward der Großvater ein Bräutigam«,
Hört man am Schenktisch singen
Und sieht um manchen jungen Stamm
Sich zarte Reben schlingen.

Der Wildensteiner gibt entzückt
Dem Pärchen seinen Segen
Und sieht auf seiner Burg beglückt
Noch Kindeskind entgegen.

 


 


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