Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die Sage vom Untersberg

Von A. A. L. Follen. – Der Untersberg bei Berchtesgaden, auf Bayerns und Österreichs Grenzscheide, ist gleich dem Kyffhäuser ein wahrer Königspalast der Sage.

            Nun höret Wunder sagen
Vom tiefen Untersberg:
Ihn hat in Heldentagen
Gehöhlt ein wild Gezwerg;
Der Wölbung Breit' und Länge
Ist mächtig ausgespannt,
Und gehn zwölf Geistergänge
Hinauf ins deutsche Land.

Auf unterird'schen Matten
Dort atmet fremde Luft,
Wo nie getrübt sich hatten
Der Blumen Licht und Duft;
Dort stehn zwei reiche Bronnen
In Marmel wohlgetan,
Die treiben recht mit Wonnen
Tausprudel himmelan.

Zur Rechten draus und Linken
In tiefem Wiesengrün
Die Blumen sieht man trinken
Und mannigfach erblühn:
Bis beide Flüss' im Strome
Zum Marmelbecken gehn
Und vor dem goldnen Dome
Als Silberspiegel stehn.

Dem Dom genüber spiegelt
Vier Riesen diese Flut,
Die Arme sind versiegelt,
Ihr Stolz gelähmte Wut;
Es ruht ihr demantsteinern
Arm-, Brust- und Nackenband
In eines viermal kleinern
Gekrönten Helden Hand.

Dringt unsre Sonne nimmer
Ins unterird'sche Haus,
Doch geht ein Heil'genschimmer
Von Domes Kuppel aus;
Empor zwei Türme schießen
Von buntem Edelstein,
Und ihre Blumen sprießen
Und sonnen sich im Schein.

Zwei Säulenbündel tragen
Die Heil'gen ob dem Tor,
Und stehn ins Kreuz geschlagen
Zwei Kreuzesschwerter vor;
Das ein' ist diamanten,
Das ander' ist Rubin,
Smaragd- und Saphirkanten
Die Griff' und Knäuf' umziehn.

Hoch donnernd und ergötzlich
Das Domgeläut' erschallt
Und schafft lebendig plötzlich
Den Palm- und Eichenwald;
Dann ziehn viel reine Pfaffen
Voll Eifer nach dem Dom
Und Volk in hellen Waffen –
Ein wogenvoller Strom.

Zweifach den Bart gespreitet
Auf goldnes Brustgewand,
Voran mit Krone schreitet
Ein Held, den Stab in Hand:
Das sind die Streiter Christes
Und die vom deutschen Reich,
Und Karl der Kaiser ist es,
Ein Hirt und Held zugleich.

Im Klang geweihter Harfen,
In Waffenblitz und Licht
Geht Karl mit einem scharfen,
Tiefsinnigen Gesicht;
In all dem Volk wie einsam:
Ein heilig Herrscherbild,
Und doch so treu gemeinsam,
Mit allen traut und mild.

Wie lang die deutschen Helden
Dort unten halten Wacht,
Das muß die Zukunft melden
Und steht bei Gottes Macht;
Ingleichen was sie singen
Und segnen leis und laut,
Ist von verborgnen Dingen
Und Gottes Herz vertraut.

Auch dämmert in der Nische
Dort Kaiser Friederich.
An einem Marmeltische
Bezaubert hält er sich;
Doch wenn den Tisch zum dritten
Sein Funkelbart umreicht,
Dann kommt er vorgeschritten,
Und Bann und Zauber weicht.

Dann fängt im Walserfelde
Der Baum zu grünen an;
Und das ist sichre Melde:
»Bald wird die Schlacht getan!«
Und wird er Früchte tragen
Am strotzenden Geäst:
»Dann wird die Schlacht geschlagen,
Dann kommt das Erntefest.«

Dann hebt es an zu raunen
Im Volk von Land zu Land,
Dann blasen Heerposaunen
Die Welt in Waffenbrand;
Drängt alles zum erdorrten,
Ergrünten Baume schon:
Aus Unterberges Pforten
Steigt Karl zum hohen Thron.

Dann soll'n die Guten richten
Die Bösen allzumal,
Zerschlagen und vernichten
Bei Wals im Rachetal.
Dann strahlt in hehrem Feiern
Vom Baum der Welfenschild,
Und keiner kann entschleiern
Den Geist von diesem Bild.

 


 


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