Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Das Kirchlein des Auerbergs

An der Nordgrenze des Landgerichts Füssen im schwäbischen Allgäu liegt der Auerberg mit einem dem heiligen Georg geweihten, vom umwohnenden Volk häufig besuchten Kirchlein, von dessen Erbauung sich im Mund des Volkes eine Sage erhalten hat:

In grauer Vorzeit kam ein gewaltiger Rittersmann in diese Gegend. Er saß milden Anblicks auf einem blendend weißen Roß, mit Purpur angetan, einen silberstrahlenden Helm auf dem Haupt. Man sah ihn niemals wie andere, von wildem Troß gefolgt, den Edelhirsch und den Eber jagen; auch hörte man nichts von Schmausen und Gelagen auf seinem Schloß. Nur mit den Drachen und grauen Untieren, die das Land bedrängten, lag er in Fehde, und wo es eine Unschuld zu retten oder zu schirmen gab, da war er männiglich bereitet. Es wurde überhaupt nichts Edles und Gutes getan, was er nicht aus allen Kräften förderte.

Damals gedachten die Bewohner jener Gegend auf der Höhe des Auerbergs eine Kirche zu bauen. Sie begannen das Werk; allein es ging wider Erwarten langsam vonstatten, weil das Herbeischaffen der Steine auf den Berg gar beschwerlich war. Da flehten sie inbrünstig zu Gott um Förderung und Segen ihres Beginnens – und siehe da, vom selben Augenblick an gedieh der Bau auf wunderbare Weise. Denn Gott hatte ihnen einen wackeren Helfer geschickt – das war kein anderer als jener treffliche Rittersmann, der mit den Ungeheuern und Drachen Krieg führte. Dieser arbeitete nachts, während die Leute ruhten, am Bau der Kirche, schleppte auf seinen gewaltigen Schultern Steine herbei und fügte sie mit kunstreicher Hand aufeinander. In wenigen Tagen stand die Kirche vollendet da, so daß man ob des wunderbaren Anblicks kaum seinen Augen trauen mochte. Mit der Vollendung des Werkes war aber auch der wackere Bauhelfer verschwunden, und nichts als die Erinnerung ist dem Volk geblieben, daß es der heilige Rittersmann – Georg gewesen ist.

 


 


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