Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Der Spitzleinstag

Ein Seitenstück vom Nikolaustag war der Spitzleinstag, der sich auch bis auf die neuere Zeit erhalten hat. Nach uralter Sitte versammelten sich frühmorgens am Allerheiligenfest die Gassenjungen, zu denen sich auch ehrbarer Leute Kinder – sogar Mädchen – gesellten, liefen in hellen Haufen durch die ganze Stadt und stellten sich gruppenweise vor die Häuser mit dem unbändigsten Geschrei: »Guten Morgen um ein Spitzlein!« Sie hielten mit diesem Ruf so lange an, bis man sich den Lärm durch eine Gabe vom Leib schaffte. Dies geschah durch Auswerfen eines für diesen Tag besonders gebackenen und von seiner Gestalt so genannten weißen Pfennigbrotes, des Spitzleins.

Als im Jahre 1685 der Professor Dr. Felix Spitz von Jena nach Altdorf kam, erschienen auch vor seinem Haus am Allerheiligentag die Knaben mit ihrem Geschrei. Doktor Spitz, der von dem Unfug nichts wußte, geriet auf den Gedanken, daß das Spitzleinsgeschrei ihm als einem kleinen Mann zu Hohn und Schimpf gereichen sollte; er wollte daher, aufs äußerste erzürnt, sogleich wieder einpacken und Altdorf verlassen und konnte nur mit viel Mühe belehrt und besänftigt werden.

Gleichwohl dauerte diese Sitte bis zum Jahre 1788.

 


 


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