Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Graf Aswins Tanne (2)

Von Adalbert Müller

              Die Königin des Waldes,
Die Tochter alter Zeit –
Es ist Graf Aswins Tanne,
Mit Feindesblut geweiht.

Wohl schaut sie hoch und herrlich
Hinein ins Böhmerland
Und sagt den Tschechen drüben,
Wer hier sie überwand.

In unsrer Väter Zeiten
Ging's traun, gar blutig her,
Da gab es wunde Schädel
Und Scharten in der Wehr.

Vom Böhmerwalde stürzten
Gleich eines Bergstroms Schwall
Sich Tscheskas wilde Horden
Hernieder in das Tal

Und breiteten zerstörend
Sich über Dorf und Flur,
Und Schutt und Leichen wiesen
Der Landverderber Spur.

Einst lag im Regengaue,
Von Sommers Glut gereift,
Der Felder reicher Segen
In Garben aufgehäuft.

Das sah der Tschechenherzog
Und stieß sofort ins Horn;
Es wuchs in seinen Wäldern
Dem Hungerer kein Korn.

Stracks wimmelten die Räuber
Hervor aus Wald und Schlucht
Und schleppten in die Fremde
Des deutschen Bodens Frucht.

Doch wachte treu Graf Aswin
Auf seinem hohen Schloß;
Der Tschechen frevles Schalten
Sein mannlich Herz verdroß.

»Wie? Ist der Deutschen Schlachtmut
Erstorben und verweht,
Daß Fremde straflos ernten,
Was deutsche Hand gesät?

Sind unsre Klingen rostig,
Ist unsre Kraft erlahmt?«
Er ruft's, und seine Wange
Von edlem Zürnen flammt.

Und seinen Ritterscharen
Sprengt mutig er voran;
Sie stürzen auf die Feinde,
Zehn gegen hundert Mann.

In Lüften saust die Lanze,
Es blitzt der Schwerter Stahl,
Bald starrt von rotem Blute
Das Gras im Regental.

Das Beste tut im Kampfe
Das edle Grafenbild;
Von seiner Streitaxt Hieben
Zersplittern Helm und Schild.

Ein Wall von Leichen türmet
Sich um den Helden her,
Die Feinde zagen, schwanken –
Bald steht kein Böhme mehr.

Und drauf und dran die Mannen
Mit lautem Siegesruf,
Was nicht die Schwerter würgen
Zermalmt der Rosse Huf.

Fortan kein Tschechenfalke
Herab ins Bayern stieß;
Graf Aswin nun und immer
Der Schreck der Böhmen hieß.

An einer hohen Tanne
Der wackre Kämpe stand
Und schaute übers Schlachtfeld
Herab vom Hügelrand;

Und seine blut'ge Streitaxt
Ergriff er siegesstolz
Und hieb mit starken Schlägen
Drei Kreuzlein in das Holz.

So ward zum Siegesdenkmal
Die Tanne eingeweiht;
Noch grünt sie frisch und kräftig
Wie in der alten Zeit.

Denn Axt und Säge meiden
Den Stamm mit frommer Scheu,
Und selbst der Stürme Toben
Knickt keinen Ast entzwei.

 


 


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