Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die zerbrochene Säule zu Nürnberg

Von Jakob Schnerr. – Die Kapelle vermutlich aus Barbarossas Zeit.

              Zu Nürnberg auf der Kaiserburg
Ist eine Kapelle zu schauen,
Gar wohl erhalten aus grauer Zeit,
Dran half der Gottseibeiuns bauen.

Zwar hat der dort nicht Steine behaun
Und auch nicht den Mörtel getragen,
Doch ließ er sich mit dem Pfaffen ein
Und tat eine Wett' mit ihm wagen

Vier schlanke Säulen von Marmorstein,
Im ganzen war jede gehauen –
Wer zweifelt, der kann noch heutzutag
Sie dort in dem Kirchlein schauen –,

Die lagen fürs Kirchlein in Rom bereit;
Drum sann man vor allen Dingen,
Wie etwa von dorten um billiges Geld
Sie wären gen Nürnberg zu bringen.

Wie damals nun der höllische Fürst
Auf Seelenraub oft ausgegangen,
So trug denn nach einer Pfaffenseel'
Er doppelt und dreifach Verlangen.

Ihm deucht's ein winziges Werk zu sein,
Von Rom her die Säulen zu bringen;
Drum trat er gar keck vor den Pfaffen hin
Und ließ von diesem sich dingen.

Der Priester wollte sein eigen sein
Mit Seel' und mit leiblichem Wesen,
Wofern er die Säulen gen Nürnberg brächt',
Bevor er die Messe gelesen.

Und topp! Im Hui nun brauset er fort;
Im Nu war eine zur Stelle.
So bringt er die zweite, die dritte her,
Schier gar mit Gedankenschnelle.

Der Pfaff indessen las auch nicht faul,
Aus Furcht vor den höllischen Flammen,
Und listiglich, weil es ihm ernstlich droht,
Nimmt Anfang und End' er zusammen.

Wie nun der Schwarze die vierte bringt
Heran auf den luftigen Wegen,
So tönet ihm aus der Ferne schon
Das »Missa est« gellend entgegen.

Da warf die Bürde der Höllengott
Zu Boden mit bitterem Grollen.
Da lag die herrliche Säule nun,
Vom Fall in Stücke zerschollen. –

Wohl hat der Priester nicht redlich getan
Das, was er dem Teufel versprochen,
Doch hat auch der Satan gar übereilt
So Säule als Wette gebrochen. –

Und weil der Arme durch Pfaffenlist
Sich so übertölpelt gefunden,
Ist er beschämt zur selbigen Frist,
Will's Gott, auf ewig verschwunden.

Noch ist die Säule im Kirchlein dort
Zusammengestückelt zu schauen,
Desgleichen des Pfaffen Angesicht,
Hohnlachend in Stein gehauen.

 


 


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