Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Das Märzenfräulein auf der Märzeburg bei Kaufbeuren

Wenn man von Kaufbeuren südwärts der Straße nach Marktoberdorf folgt, so sieht man gleich hinter dem »Pudelwirt« zur Rechten einen mit frischen Buchen und Tannen bewaldeten Kegelberg sich erheben, an dessen Fuß die Straße und gleich daneben die Eisenbahn sich hinzieht. Diesen Berg heißt man die »Märzeburg«. In alten Zeiten soll ein prächtiges Schloß seinen Scheitel gekrönt haben, das mit dem nahen, jenseits der Wertach auf einem ähnlichen Kegelberg gelegenen Schloß zu Hirschzell in Verbindung gestanden ist. Weitum sind Land und Leute der Märzeburg untertan gewesen, wie denn noch jetzt ein großer Hof zwischen Apfeltrang und Oberbeuren, auf dessen Grund man Römermünzen fand, der »Märzesrinderhof« genannt wird. Heutzutage wird keine Spur mehr von der Burg angetroffen, aber ihr Andenken lebt in Sagen des Volkes.

Schon in grauer Vorzeit soll diese Burg mit dem Ritter und seinem Töchterlein, die beide vom Raub lebten, samt allen Schätzen versunken sein. Des Nachts hört man noch ein unheimliches Rasseln und Geklirr, denn unablässig zählt das Edelfräulein geraubte Gelder in der Tiefe des Bodens, steigt bisweilen um Mitternacht herauf und irrt herum in den Wäldern und Fluren, suchend, wer sie erlöse und die Schätze hebe. Schon gar viele haben die schöne Gestalt des Fräuleins im schneeweißen Gewand, glänzend in Gold und Silber, gesehen, auch ihren bezaubernd schönen Gesang vernommen; und die Schätze, die sich bisweilen im Mondlicht sonnen und wieder in die Tiefe senken, sind ebenfalls schon oft wahrgenommen worden. Wer aber die Jungfrau erlösen will, der muß ein reiner Jüngling sein und muß sie von da ab, wo er sie findet, hintragen bis zum Vorzeichen an den Vorsatzstein der St.-Martins-Kirche. Aber Schritt für Schritt wird sie schwerer.

Ein Weber aus Kaufbeuren mit breitem Rücken und guten Schultern hat schon einmal den Versuch gemacht. Das Fräulein setzte sich selbst auf seine Schultern, er brachte sie aber ermattet und von Schweiß triefend nur halbwegs bis zum Gottesacker und nicht weiter. Da verschwand sie wieder.

Schon viele sind auch von alters her mit Hacken und Schaufeln des Nachts dahin gegangen, die Schätze auszugraben. So auch einige arme Arbeiter. Sie stießen wohl auf eiserne Truhen, konnten sie aber nicht heben, weil unter ihnen eine unreine Seele war, wie sie glaubten. Die Schätze ruhen noch im tiefen Schacht der Erde, das Märzenfräulein irrt noch immer; der letzte, der sie gesehen hat, soll ein Hirte gewesen sein.

 


 


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