Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Der Fürstenstreit

Von Andreas Haupt

                  Herr Wigand von Redwitz, ein fröhlicher Herr,
Saß schmunzelnd und lachend beim Becher,
Er möchte wohl einen Gesellen mehr,
Der alte, lustige Zecher.
Er hatte in Bamberg zwei Gäste zumal,
Die beschied er zu sich in den prunkenden Saal.

Das waren der Herr von WittenbergIn der Ballade »Der reichste Fürst«: Württemberg
Und der Fürst von Würzburg am Maine;
Der eine ein kleiner und harmloser Zwerg,
Der andre ein Riese beim Weine.
Es kamen die beiden; der eine zum Scherz,
Der andre zu laben am Weine das Herz.

Sie waren vergnügt beim Würfelspiel
Und sprachen vom Fürst und vom Reiche,
Sie spielten zur Kurzweil und wagten nicht viel
Und leerten manch perlende Neige.
Und wer 'ne Niete nach Hause trug,
Mußt' leeren den Becher auf einen Zug.

»Ja, ja«, hebt jener von Wittenberg an,
»Ihr Herrn, das muß ich euch sagen;
Und daß es wahr ist, da setz' ich daran
Soviel, als ihr beide mögt wagen.
Im Reiche ist manches höchst seltene Ding;
Doch acht' ich das alles mit Recht gering.

Denn wollt ihr von allem das Seltenste sehn –
Mein, sag' ich mit Stolz, ist es eigen –,
So müßt ihr, ihr Herren, nach Wittenberg gehn,
Dort will ich das Kleinod euch zeigen.
Und seid ihr nun wohl bei gesundem Verstand,
So schaut ihr in anderm nur nichtigen Tand.«

»Ei doch«, hebt der Würzburger an und spricht,
»Das könnte ich nimmer verwinden,
Wenn bloß in Wittenberg, weiter nicht,
Ein Kleinod wäre zu finden.
Da kommt ihr nach Würzburg, da zeig' ich euch wohl,
Wo man das Kleinod suchen soll.«

»Ihr Gäste«, versetzt der Bamberger drauf
Und lächelt nach stillem Begrüßen,
»Ihr Gäste, ihr müßt schon den Main gar herauf,
Gen Bambergs grünende Wiesen.
Hier ist euch das Seltenste gleich zur Hand,
Ihr findet's nur einmal im deutschen Land.«

»Nun denn«, so stimmen selbdritt sie an,
»Laßt sehn, wer das Seltenste zeige,
Und daß sich der andere, Mann für Mann,
Vor dem Eigner des Seltensten neige;
Und soll ihm verehren, so sei der Bund,
Ein Stückfaß, voll bis zum zischenden Spund.«

Und der Wittenberger beginnet sogleich
Und spricht mit ernstem Behagen;
»Ihr Herren, im ganzen deutschen Reich,
Von den frühesten, ältesten Tagen,
Hat nie noch ein Mann solch Glück gehabt
Und hat sich so innig und rein gelabt.

Denn seht, mein Volk ist bieder und treu,
Hängt an mir mit heiligem Lieben,
Und bis auf heute so frisch und so neu
Ist dies Gefühl ihm geblieben.
Und ging' ich hinaus in Waldesnacht,
Ich würde von tausend Augen bewacht.

Und macht' ich die Rund' durch des Landes Plan
Und träfe an einsamer Stätte
Ein Bäuerlein, dem ich Unrecht getan,
Und sagte: ›Dein Schoß sei mein Bette‹,
So schlief' ich so ruhig, so sicher und kühl,
Als ständen zehn Wächter um meinen Pfühl.«

So sprach er mit inniger Herrscherlust;
»Ihr Herrn, nun wollet entscheiden.«
Und warf sich stolz und so frei in die Brust –
Wohl bist du, mein Fürst, zu beneiden.
Da nahm der Würzburger drauf das Wort
Und fuhr dermaßen zu prunken fort:

»Das ist wohl schön, doch das Seltenste nicht,
Das ist noch und war schon gewesen;
So könnt Ihr, wenn Euch die Neugier sticht,
Wohl oft in der Chronika lesen;
Und glaubt nur, mein volkgeliebter Mann,
Daß kecklich der Würzburger auch das kann.

Doch sehet, es gibt was Seltneres noch,
Das stehet bei Würzburg am Maine;
Wie, freundliche Herren, ei, sagt mir doch,
Habt ihr nichts noch gehöret vom Steine?
Vom Steine bei Würzburg, der gibt mir im Jahr
Acht Fuder voll Weines, perlend und klar.

Denn solch ein Stein wohl das Seltenste ist,
Das jemals die Erde gezeuget;
Drum wohl bedacht, was ihr tun jetzt müßt,
Ihr Herrn: euch gehörig verneiget.
Das Volk in der Wüste hatt' auch 'nen Stein;
Doch gab er nur Wasser statt goldenen Wein.«

So sprach der von Würzburg; der Bamberger jetzt
Streicht lächelnd den Bart sich und trinket,
Und als er vom Zuge abgesetzt,
Da verläßt er den Sessel und winket:
»Ihr Herrn, nur gemach; solang man denkt,
Das Beste ward immer zuletzt geschenkt.

Ihr, Wittenberger, habt schon Eu'r Teil,
Das hat Euch mein Nachbar gereichet;
Bei Euch, Würzburger, hat's auch nicht Eil',
Daß man sich verbeuget und neiget,
Eu'r Steinlein ist doch nur ein winziger Zwerg
Gen den Riesen, den edlen Johannesberg.

Doch wollt ihr sehn in den deutschen Gau'n,
So Seltnes, als nie ihr gewähnet,
So müßt ihr den Garten in Bamberg schaun,
Der hoch auf der Brücke sich dehnet;
Und zeigt ihr mir das an der Elbe, am Rhein,
So soll mein Stückfaß verloren sein.«

»Auf der Brück' ein Garten? – Das ist fürwahr
Ein Werk, so selten erkühnet!«
»Und was noch seltner – das ganze Jahr
Der Garten blühet und grünet;
Und kommt ihr im Winter, und kommt ihr im Mai,
Dem Gärtner ist's immer einerlei.«

Das Pärchen schüttelt das Haupt und schweigt;
Den Garten müssen sie schauen.
Und als sie die obere Brücke erreicht,
Kaum konnten den Augen sie trauen –
Vom Brückenkopf an bis zur Rathaustür,
Da grünte der Garten für und für.

Von der Tür bis zum anderen Brückenkopf
Zeigt alles ein fröhlich Gedeihen;
Da blühten die Rosen, die Nelken im Topf,
Da lagen in zierlichen Reihen
Der Spargel, das Süßholz, das Kraut und der Kohl.
Sie lächelten zwar, doch bemerken sie's wohl

Und drückten dem Fürsten die wackere Hand,
Die mild dem Drucke begegnet,
Wohl war kein einzig deutsches Land
An Früchten so reichlich gesegnet.
Und lächelten heiter und schlugen ein:
»Dein, Bamberger, soll das Stückfaß sein.«

 


 


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