Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die bösen Brüder auf der Burg Tollenstein

Hart an der Altmühl, am Markt Dollnstein, erheben sich die gewaltigen Ruinen der uralten Feste Tollenstein, nach einem Besitzer Tollo so genannt.

Hugo von Tollenstein war einer der angesehensten Ritter in Franken. Als er starb, hinterließ er sein Erbe zwei Söhnen, Iwan und Bernhard. Diese wackeren Tollensteiner waren ihrer Herzhaftigkeit wegen weit und breit berühmt. Als nach Hugos Tod ein Kreuzzug ausbrach, waren sie unter den ersten, die sich auf ihre Mäntel die roten Kreuze heften ließen und gegen die Feinde der Christenheit zogen.

Bernhard blieb in einer Schlacht, und Iwan langte als der einzige Erbe wieder zu Hause an. Er war rauh und wild, jagte wochenlang in den dichten Forsten umher und schwelgte monatelang auf seiner Burg in lustiger Gesellschaft. Seine Hausfrau Agnes wußte ihn endlich auf den Weg der Tugend zu bringen, starb aber, nachdem sie ihm neun Söhne geboren hatte, bei der Geburt des letzten, Reinhards. Iwan gab sich alle Mühe, seine Kinder gut aufzuziehen, als sie aber älter wurden und zu bösen Gesellen kamen, da wurden sie übermütig und zürnten auf den Vater, weil er ihre Einkünfte zu sehr beschränkte. Der alte Tollensteiner sah ihr Treiben und merkte wohl, daß sie sein Ende wünschten, um bald alleinige Herren von Hab und Gut zu sein. Um sich vor einem etwaigen Überfall auf sein Leben zu schützen, legte er nie seinen Harnisch ab und behielt immer sein Schwert zur Seite.

Nur einer von den Söhnen, Ernst, hielt nicht mit dem tollen Haufen und wurde deshalb verfolgt, so daß ihn der Vater heimlich zu einem Kriegszug sandte. Als er zurückkehrte, vernahm er, daß sein Vater verschwunden wäre, er aber als Haupterbe des Vermögens eingesetzt sei. Kalt empfingen ihn die Brüder bei seiner Ankunft auf Tollenstein und zogen drohend von dannen, als er nach dem Recht sein Erbe antrat. Es stand nicht lange an, so wurde Tollenstein überfallen, die Burg erstürmt, und Ernst mußte sich durch einen heimlichen Gang vor seinen Feinden flüchten. Als die Burg erstiegen war, begannen die Brüder ein fröhliches Gelage.

Da faßte Reinhard den Entschluß, sich zum alleinigen Herrn zu machen, tat Gift in den Wein und ermordete auf diese Weise seine übrigen Brüder. Aber auch ihn erreichte die Strafe des Himmels. Das Reichsgericht ließ die Burg erobern; Reinhard zerschmetterte seinen Kopf an einer marmornen Säule.

Danach sah man häufig um Mitternacht Beleuchtung auf der Feste und vernahm rauschenden Zecherlärm. Um den marmornen Tisch in der Mitte des Saales sollen die bösen Brüder mit totenblassen Gesichtern und schwarzen Harnischen gesessen sein. Ein jeder von ihnen hielt einen vollen Humpen in seiner Rechten und stützte seine Linke auf ein entblößtem Schwert; hinter dem Tisch aber stand ein Totengerippe: der Geist des Vaters. –

Es war eine alte Sitte, daß jeder, der diese Burg zum ersten Mal betrat, ein Scheit Holz die lange Schneckenstiege hinauftragen mußte. Dies taten auch Philipp Ludwig, Herzog zu Neuburg, und die Leute seiner Gesellschaft. Als der eichstättische Fürstbischof Marquard Schenk von Castell bei der am 30. August 1638 hier eingenommenen Huldigung dies sah, ging er auch mit einem Scheit Holz in der Hand in das Schloß hinauf, und alle Domkapitulare und Kavaliere und andere Diener, die in seinem Gefolge und noch nie in diesem Schloß waren, taten das gleiche. Woher die Sitte stammt, ist unbekannt.

Die Burg liegt seit Anfang des neunzehnten Jahrhunderts in Trümmern.

 


 


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