Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Handlab

Handlab, Wallfahrtskirche, 1½ Stunden von Flintsbach, Ldg. Vilshofen in Niederbayern.

In einer hohlen Eiche des Bannwaldes von Engelsberg hatte ein frommer Hirt das Bildnis der Himmelskönigin aufgestellt. Täglich in den Abendstunden fand sich dort die Burgfrau ein, um der Gottesmutter ihr Leid zu klagen. Anna – so hieß sie – lebte in unglücklicher Ehe, denn ihr Gatte war rauhen Gemütes, über dem blutigen Waffenspiel und der wilden Lust der Jagd und des Trinkgelages die Pflege der häuslichen Freuden vernachlässigend. Wenn die arme Dulderin betete, kniete immer der Hirt ihr zur Seite; so wollte sie es, damit er sein Flehen mit dem ihrigen vereinige.

Doch der Weltsinn faßt die Reinheit solcher Seelenverwandtschaft nicht; er kann Mann und Weib sich nicht nähern sehen, ohne an Unerlaubtes zu denken. Ein Knappe im Schloß, dem guten Hirten gram, flüsterte dem Eheherrn schlimmen Verdacht ins Herz. Dieser, dem falschen Buben nur zu willig Gehör leihend, eilte in den Wald hinaus, sah das Paar an der Gnadenstätte knien, riß in blinder Zorneswut das Schwert aus der Scheide und trennte mit gewaltigem Hieb der Gattin die Hand vom Arm.

Ohne einen Laut der Klage auszustoßen, hob Anna voll Vertrauen auf die mächtige Fürbitte Marias den blutigen Stumpf gen Himmel, und im Augenblick war die Hand wieder an ihrer Stelle. Nur ein roter Streifen, rings um das Handgelenk sich ziehend, blieb als Denkzeichen der gräßlichen Verwundung zurück.

Der Ritter, dem das Walten der höheren Mächte so augenfällig sich kundgetan hatte, ging in sich, änderte sein wildes Leben und war fortan ein frommer, christlicher Hausvater. – Die Kirche, die an der Wunderstätte errichtet wurde, nannte das Volk in seiner Sprachweise »Maria Handlab«.

 


 


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