Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Das Älplein bei Wertach

Von Karl Fernau

                Zu Wertach, nah bei Hindelang,
Lebt' einstmals unter Sing und Sang
Und manchem Weltentand ergeben
Herr Bach ein lustig Pfarrerleben.
Es war ein Männlein, schlau, verdreht,
Und wie es leider manchmal geht,
Obwohl zum Streiter auserkoren,
Zum Heil der Kirche nicht geboren,
Leicht glitt er über alles hin
Und nahm es kurz nach seinem Sinn.

Nun hört: Ein Älplein war gelegen
Auf hohem Berg, ein Weidesegen,
Voll Gras und Saft und Blumenduft,
Recht in der freien Gottesluft;
Doch mühten sich in altem Streite
Drum Hindelang und Wertach beide,
Mit Zeugen und mit Dokumenten
War dieser Zank gar nicht zu enden.

Da fiel zuletzt es einem ein:
Weil Ende muß bei allem sein,
So soll's zum Schiedsspruch kommen! – Bach
Stand eben unter seinem Dach,
Als eine Schar von Freund' und Feinden
Der eifersüchtigen Gemeinden
Zum Pfarrdechanten eilends kam
Und ihn zum Friedensrichter nahm.
Da waren sie am rechten Orte,
Denn alsogleich sprach er die Worte:

»Ich will nach Glaub' und Wissen schalten,
Zu keiner der Parteien halten –«
Indessen lächelt er gar fein,
Denn schnell fiel eine List ihm ein.
Schon freut' er sich, ein weltklug Männlein,
Im Geist der abgefall'nen Spänlein,
Womit er seine Pfründ' und Pfarr'
Gesonnen zu bereichern war.

An Ort und Stell' der fetten Weiden
Wollt' er den langen Zwist entscheiden;
Und als der Tag kam, den er wählte,
Auf den er die Partei'n bestellte,
Da hielt ein jeder Arbeitsrast
Und eilte hoffend und in Hast
Herbei, hinan den Bergeshang,
Ganz Wertach und ganz Hindelang.
Die Sonn' erheiterte die Herzen,
Vergessen wurden manche Schmerzen;
Denn auf der freien Gotteshöh'
Vergißt der Mensch so gern sein Weh.

Und nun, Herr Bach? Den Spruch zu sprechen
Macht ihm wohl großes Kopfzerbrechen? –
Nicht doch! Oh, der geübte Mann,
Der griff sein Ding viel leichter an.
Zerhau'n den Knoten! Alexandern
Gleich auf das Älplein hinzuwandern,
Dacht' er im Geist. Kaum konnt' er warten,
Ging schon beim Frührot in den Garten
Und nahm vom Brünnlein, das dort fließt,
Den Schöpfer, draus man Wasser gießt,
Und stellt' ihn keck und wohlgemut
Über dem Haupt in seinen Hut.
Drauf von dem Boden, wo er stand,
Faßt' er den feinsten Gartensand
Und streut' ihn sorgsam und verstohlen
Inwendig auf der Schuhe Sohlen
Und stieg zu Pferd! O Doktor Bach,
Das geht gewiß dem Rechte nach!

Versammelt standen sie schon all,
Als Bach heraufritt durch das Tal;
Er stieg gar froh von seinem Pferde,
Fest trat er auf des Älpleins Erde;
Und da er in der Mitte stand –
Die Augen aller aufgespannt –,
Sprach er, der kleine Pfarrdechant:
»Ihr Leute, habt mich kommen lassen;
Seid ihr bereit, den Spruch zu fassen?
Seid ihr bereit, ihn zu vollziehen?« –
»Ja!« ward vom Bauernvolk geschrien.
»So will ich nun auf euer Klagen
Als Schiedsmann richten, tun und sagen,
Was Rechtens ist und bleibt. Hört ihr:
So wahr ein Schöpfer über mir,
Steh' ich auf Wertach-Boden hier.«
Das konnt' er leicht sagen mit seinen Sohlen
Und mit dem Schöpfer zum Wasserholen!

Der Spruch gar manchen schlimm verdroß;
Des teuren Guts war Hind'lang los!
Durch Doktor Bach nun war es klar,
Bei wem das Recht aufs Älplein war.
Auf Erden ließ sich's nicht mehr nehmen;
Die andern mußten sich bequemen. –
Doch der im Himmel oben ist,
Der Herr, vernahm des Dechants List,
Befand die Weise arg und schlecht
Und selbst das Urteil ungerecht.
Der Schöpfer ließ ihn nimmer ruhn,
Der Boden brannt' ihm in den Schuhn;
Und als Herr Bach in kurzer Zeit
Gesegnet drauf die Endlichkeit,
Sah man – so hört man Leute sagen –
Ihn oft zu Pferd ums Älplein jagen,
Im schwarzen Mäntlein, wie er war,
Da er das Recht fand also klar. –
Ein Kreuz steht auf den Felsenhöh'n,
Wo einst das Älplein grün und schön
Im reichen Gottessegen lag;
Es wurde kahl nach kurzem Tag.

 


 


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