Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die steinerne Katze bei Ailsfeld

Zu Ailsfeld war ein schönes und braves Mägdlein, das manchem reichen Burschen wohl gefallen hätte, wenn es nicht ganz vermögenslos gewesen wäre. Vater und Mutter waren ihr frühzeitig gestorben, nun besaß das gute Kind nichts mehr auf dieser Welt als den Schatz ihrer Tugend und eine große, schöne, schwarze Katze, die sie einmal barmherzig vom Tod des Ertrinkens aus dem Bach gerettet hatte. Wie schon gesagt, hatten manche Burschen des Dorfes ihre Augen auf die Jungfrau geworfen, aber sie hatten keine redlichen und ernsten Absichten – einen ausgenommen, den Sohn eines reichen Bauern; dieser liebte das Mädchen von ganzem Herzen und beschloß bei sich, keine andere zur Frau zu nehmen, obwohl er gar manche steinreiche Dirne hätte bekommen können.

Da war aber der Vater des Jünglings ganz anderer Meinung. Zuerst verbot er seinem Sohn allen Umgang mit dem armen, in seinen Augen verächtlichen Mädchen; als dies nicht helfen wollte, beschloß er, den Burschen eine Zeitlang in die Fremde zu schicken, da werde er schon auf andere Gedanken kommen. Gedacht, getan. Der arme Bursche mußte sich reisefertig machen. Es war ein harter Abschied von dem armen, nun ganz verlassenen und trostlosen Kind, aber dem Befehl des Vaters mußte gehorcht werden.

Der Tag der Abreise war da. Verzweifelt saß die Ärmste mit rotgeweinten Augen in ihrem Kämmerlein, dann warf sie sich auf ihre Knie und flehte inbrünstig zu Gott um Hilfe und Rat in ihrer Bedrängnis. Während sie also ganz allein, von allen Menschen verlassen, dem lieben Gott ihr Leid klagte und ihren Gedanken nachhing, hatte sich ihre einzige Freundin, die treue Katze, vom weichen Pfühl erhoben und schmiegte sich schnurrend und spinnend an die betrübte Pflegerin. Auf einmal aber hob das Tier zum Erstaunen des Mägdleins zu reden an und bedeutete ihr, sogleich mitzugehen, sie könnte dann eines großen Schatzes teilhaftig werden. Sogleich sprang die Katze voran, durch die Gassen des Dorfes dem Wald zu; nicht ohne Herzklopfen folgte ihr die Jungfrau.

Endlich kamen die beiden an einen jäh abschüssigen Felsen; mit einem Satz war die Katze oben, das Mägdlein kletterte, so gut es gehen konnte, nach. Da lag blankes Gold im Überfluß, sie nahm soviel davon, als ihre Schürze nur fassen konnte. Dann machte sie sich wieder auf den Weg; aber die Katze blieb oben auf dem Felsen sitzen.

Kaum war die Glückliche wieder unten auf dem Weg zum Dorf angelangt, als ihr zwei Männer begegneten: Vater und Sohn, der hartherzige Alte und ihr reisefertiger Bräutigam. Voll Jubel schüttete das Mägdlein alles Gold aus der Schürze vor ihre Füße. Nun stand der Verlobung freilich kein Hindernis mehr im Wege. In wenigen Wochen wurde die Hochzeit gefeiert.

Die Katze aber ist noch heutzutage versteinert auf dem Gipfel des Felsens zu sehen.

 


 


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