Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die drei Baumeister von St. Lorenz

Zu St. Lorenz heißt ein Turm »der Alte«. Als dieser alte Turm im Bau begriffen war, hatten zwei Meister dran zu schaffen, und sie hatten vorerst schon einem anderen Meister die Arbeit abgejagt. Nachdem nun der beseitigt war, loderte in ihnen beiden grimmiger Haß und Zorn empor, und sie beschlossen, sich gegenseitig zu verderben. Damit es aber niemand ahne, taten beide so, als wären sie sich überaus geneigt.

Darüber verlief etliche Zeit, bis sie eines Tages hinaufsteigen mußten, so weit der Turm gebaut war. Als nun der eine ans Fenster trat und hinaussah, packte ihn der andere und wollte ihn hinabschleudern. Der erste aber, der ein Gleiches vorgehabt hatte, hielt sich fest an ihn und riß ihn mit sich hinaus. Also stürzten sie beide hinab und zerschmetterten sich alle Knochen.

Dabei stand der dritte unten, nicht eine Handbreit entfernt, denn er hatte schier hart am Turm hinaufgeschaut. Als das der Rat erfuhr und der Baumeister, der am Leben geblieben war, erzählte, wie sie ihm mitgespielt hatten, da er ihnen doch nie etwas zuleide getan hatte, war des Rats Bescheid: Des Werkes weiterer Bau gebühre ihm, denn gleich wundersam habe Gott die zwei Bösen vernichtet und ihn aus Todesgefahr errettet; es stehe ihm auch frei, ein Wahrzeichen zu setzen.

Darauf sagte der Baumeister: »Das sei fern von mir! Eher will ich der argen Tat Spur ganz verwischen!« Darauf war sein erstes, daß er das Fenster zumauerte.

Die Sage aber konnte er nicht vertilgen.

 


 


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