Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die Sage von der Steinsäule bei Kneiting

Unfern des Kneitinger Brückchens, an der Stelle, wo die Straße nach Nürnberg, ehe man ihr die jetzige Richtung gab, eine steile Höhe zu erklimmen begann, war noch zu Anfang des laufenden Jahrhunderts eine steinerne Martersäule zu sehen, die auf der Vorderseite das Bild des Gekreuzigten zeigte, zu dessen Füßen eine Schar Nonnen kniete, während eine gegenüber eingehauene Inschrift kundgab, daß Anno 1368 am Vorabend Sankt Valentins drei Frauen aus dem Kloster Seligenporten, die gen Regensburg fuhren, hier im Gießbach ertrunken seien.

Geraume Zeit später, nämlich im Jahre 1525, geschah es, daß die Dominikanerinnen auf dem benachbarten Arlasberg den umwohnenden Landleuten großes Ärgernis gaben, indem sie, die Priorin an der Spitze, ihren Gelübden untreu wurden und in die Welt entliefen. Dieser Vorfall blieb bis zur Stunde im Gedächtnis des Volkes haften und drängte die unglücklichen Seligenportener Nonnen so gänzlich in den Hintergrund, daß später sogar das ihrem Andenken errichtete Mal auf das neuere Ereignis bezogen wurde. Eine solche Verwechslung konnte sich die Sage um so strafloser erlauben, als die Aufschrift der Säule mit ihren gotisch geschnörkelten und von der Verwitterung schon stark angefressenen Charakteren dem gemeinen Mann längst unverständlich geworden war und kaum noch von den Gelehrten entziffert werden konnte.

Der erwähnten Überlieferung zufolge trug es sich zu, daß der Prior der Dominikaner in Regensburg, Moritz Fürst, großes Gefallen fand an den kürzlich aufgekommenen Lehren über die Ehe und das Mönchtum, weshalb er je länger, je lieber auf Mittel sann, der Kutte ledig zu werden und sich, nach dem unter seinen Standesgenossen einreißenden Beispiel, ein Weib zu nehmen. Er fand an der jungen und wohlgestalteten Priorin von Arlasberg, Käthchen Hinzenhauserin, ein seinen Wünschen zugängliches Wesen, und bald war zwischen beiden die nötige Abrede getroffen.

Beim Grauen eines heiteren Maimorgens des Jahres 1525 ritt der Prior in weltlicher Kleidung, mit geschlitzter Hose und eine goldverbrämte Mütze auf dem geschorenen Haupt, gen Arlasberg hinaus. Sein getreuer Famulus, der Pater Hans Pockh, war mit den geraubten Klosterschätzen bereits nach Nürnberg vorangegangen. In Arlasberg harrte des Bräutigams reisefertig das holde Käthchen mit ihren Nonnen, denen allen der Prior als Beichtiger und Gewissensrat die neue Lehre einleuchtend zu machen gewußt hatte. Der Anweisung des Hirten folgend, waren die Schäflein nicht säumig gewesen, den Schrein ihrer Patronin, der heiligen Maria, zu leeren und die Kleinodien in Säcke und Kisten zu verpacken. So fuhr die Genossenschaft auf sogenannten Hobelwägen, wie sie dazumal üblich waren, nach Kneiting hinab, um dort die Nürnberger Straße zu gewinnen.

Noch hatten sie aber nicht die Hälfte des Weges zurückgelegt, als ein mit Macht ausbrechendes Gewitter über das enge Tal einen Wolkenbruch ergoß. Die von den Bergwänden herabstürzenden Gewässer rissen die Wägen mit sich in den zum Strom anschwellenden Bach hinein, und alles, Roß und Mann, kam elendiglich ums Leben.

Zur Erinnerung an dieses offenbare Strafgericht Gottes habe man, erzählt die Sage, jenen Stein gesetzt. Die Kirche auf dem Arlasberg aber führt seit dieser Begebenheit den Namen Zur Verlassenen Mutter Gottes.

 


 


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