Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Das Lisbethchen von Mönchberg

Am Eingang des Wildenseer Grundes liegt links der Münzplattenberg, auf dem sonst der Eschauer Galgen stand. Der Hensle ist noch dort gehenkt und die Schmidts Christine mit dem Schwert hingerichtet worden. Wo der Wildenseer Grund aber nach Mönchberg hinüberbiegt, oberhalb der Waldmühle, auf der Mönchberger Seite, ist ein Platz, der »Hexenbrand«, und dabei ein Brunnen, das »Hexenbrünnlein« genannt. Dort haben vorzeiten die Mönchberger ihre Hexen verbrannt, und der Platz hat davon seinen Namen. Wenn die Schäfer sonst des Nachts auf dem Wirbel die Schafe hüteten, sahen sie drüben oft ein Feuer glimmen – sobald sie jedoch hinzugingen, war's aus, und keine Asche und keine Kohle war zu sehen. Gras wuchs noch vor zwanzig Jahren keines auf dem Platz; jetzt aber wird er wohl eingesät sein.

Auf dem Hexenbrand nun liegt ein Mönchberger Schultheiß begraben, der Staudersjörg genannt, und das Lisbethchen von Mönchberg wäre auch beinahe dahin begraben worden, wenn das Unglück seinen Willen hätte haben dürfen.

Der Staudersjörg war sehr reich, aber ein böser Mensch und ein Hexenmeister wie keiner. Obwohl's dem Amtmann und der ganzen Gemeinde bekannt war, wollte sich doch keiner an ihn wagen, aus Furcht, daß er ihm etwas antun möchte, und er wurde je länger, desto kecker und hatte seine Hand in allen schlimmen Händeln.

Endlich aber, nachdem er's viele Jahre getrieben hatte, kam ein neuer Amtmann, der war sehr scharf und wollte dem Greuel mit Ernst ein Ende machen. Da hatte er's denn vor allem auf den Staudersjörg abgesehen und gab Befehl, ihn einzusperren.

Als dieser das hörte, wußte er wohl, daß es ihm ans Leben gehen würde; er zeigte aber nicht Reue und Leid, sondern wurde so falsch, daß er gern die ganze Welt umgebracht hätte, wenn's nur in seiner Gewalt gestanden wäre. In seinem Zorn ging er in den Stall und stach die beste Kuh tot, die er besaß. Dann ging er hinaus an das Hexenbrünnlein, wo er eine Wiese hatte, und fand dort das Lisbethchen, das als Magd bei ihm diente, mit dem Grasstumpf Futter machen. Diese war auch aus Mönchberg und rechtschaffener Leute Kind.

Als er sie sah, schrie er sie an; sie habe ihm seine beste Kuh verfüttert, daheim liege sie maustot im Stall, und sie müsse sie nun bezahlen; wenn nicht, so wolle er sie in den Turm setzen und krummschließen lassen, und Vater und Mutter dazu; und er wolle ihr ein solches Geschrei im ganzen Land anrichten, daß sie keinem Menschen mehr unter die Augen treten dürfe. Darüber entsetzte sich die Magd so sehr, daß sie laut jammerte und die Hände rang; und als er wieder fortgegangen war, jammerte sie immer noch und wußte sich nicht zu helfen.

Da steht mit einem Mal einer neben ihr und fragt, warum sie so jammere. Ja, sagt sie, sie habe ihrem Herrn die beste Kuh verfüttert und könne doch nichts dafür; nun solle sie die Kuh bezahlen und hätte kein Geld und ihre Eltern auch nicht. Wenn's einem so gehen könne, so müsse doch kein Gott im Himmel sein.

Ei, sagte der andere, das glaube er auch nicht; er sei ein besserer Freund, und wenn sie ihm ihre Seele verschreiben wollte, solle das gleich geschehen. Weil sie nun vor Angst nicht mehr wußte, was sie tat, versprach sie's – der Fremde aber war der Teufel. Sie wollte mit ihm heimgehen und unterschreiben; er sagte aber, das sei nicht nötig, Feder und Papier habe er bei sich, und vom Finger laufe ihr ja Blut, damit könne sie auch unterschreiben. Sie betrachtete ihre Hand – und wirklich, sie hatte sich mit dem Grasstumpf geschnitten; das hatte sie aber vorher nicht bemerkt.

Sie unterschreibt also, und der Teufel gibt ihr einen Beutel mit Geld und geht davon; sie aber hebt das Tuch mit dem Gras auf den Kopf und geht heim. Im Vorbeigehen an ihrem väterlichen Haus hört sie drinnen ihre Mutter wimmern, als ob sie krank wäre. Wie sie nun eilends in die Scheuer tritt und das Gras auf die Tenne geworfen hat, sieht sie ihren Herrn vor sich: er hatte sich an einem Balken aufgehängt, weil er sich nicht brennen lassen wollte. Dann geht sie in den Stall, um nach der Kuh zu sehen, und wird gewahr, daß die Kuh nicht verfüttert, sondern absichtlich totgestochen war.

Da fällt's ihr zentnerschwer aufs Herz, daß sie umsonst ihre Seele dem Teufel verschrieben habe; sie jammert noch mehr als zuvor und läuft zum Pfarrer, erzählt ihm alles und bittet ihn auf den Knien, ihr einen Rat zu geben, wie sie ihre arme Seele retten und vom Bösen loskommen könne, denn ihre Verzweiflung sei groß. Der sagt, sie solle das Geld gleich wegwerfen und in die Kirche gehen und beten und nicht mehr die Kirche verlassen, bis er's ihr sage. So wirft sie denn das Geld in die Scheuer, nimmt das Gebetbuch und will in die Kirche.

Unter der Zeit war's Abend geworden. Als sie nun aus dem Haus tritt, steht der Teufel da, bietet ihr einen guten Abend und sagt: »Ich hab' mein Geld klingen hören, wo willst du hin? – Doch nicht in die Kirche?«

»Zu meiner Mutter«, sagt das Lisbethchen, »die am Brunnen wohnt; laß mich gehen, ich fürchte mich vor dir.« Und will vorbei.

»Warum hast du denn solche Eile?« fragt der Teufel, indem er neben ihr hergeht und sie am Rock hält. »Nimm mich nur auch mit!«

Das Lisbethchen sagt: »Ach, mir ist angst, sie stirbt, und ich seh' sie nimmer in alle Ewigkeit.«

»Ha«, antwortet der Teufel, »sie wird nicht gleich sterben!« Und er packt sie bei der Hand.

»Laß mich gehen!« bittet das Lisbethchen und hebt an zu weinen und zu schluchzen. »Die Hand tut mir weh, ich habe mich ja heute mit dem Grasstumpf hineingeschnitten.« Und sie ringt mit ihm, aber der Teufel will nicht und hält sie fest wie mit eisernen Zangen.

Indem fängt's vom Kirchturm an zu läuten, und die Leute, die noch auf der Gasse waren, ziehen den Hut ab und beten; der Teufel aber muß vor jedem, der betet, stehenbleiben und kann nicht vorbei, als bis dieser ausgebetet hat. Wie dies die Lisbeth merkt, fängt sie an zu laufen, geht aber nicht in ihr Haus, sondern will nur so schnell wie möglich die Kirche erreichen, und der Teufel bleibt immer weiter zurück. Und als sie den Berg hinaufkommt und auf die Kirchenstaffel tritt, schaut sie sich um und sieht den Teufel noch wie gebannt unten am Brunnen stehen – dort stand ihr Vater und betete noch, und sie erkannte ihn an seinem weißen Kittel.

Da hört das Läuten auf – und in dem Augenblick kommt der Teufel wie ein Sturmwind ihr nachgefahren, packt sie am Haar, wie sie gerade die Kirchtür in die Hand nehmen will, und sagt: »Es hilft dir nichts, Lisbeth! Hättest du das Geschrei nicht gemacht bei dem Pfaffen, so hättest du immer noch eine Weile gute Tage haben können – jetzt aber ist's aus. Vor einer Stunde habe ich den Herrn geholt, jetzt hole ich die Magd. Aber die Kirche sollst du dir noch einmal ansehen!«

Wie er das sagt, fährt er mit ihr in die Höhe und schwenkt sie bei den Haaren dreimal um den Kirchturm herum. Das Lisbethchen aber fängt an zu beten: »Herr Jesus, dir leb' ich! Herr Jesus, dir sterb' ich.«

Da muß der Teufel sie auf die Erde niedersetzen; als er's aber tut, fällt das Mädchen um und ist tot.

Den Staudersjörg haben die Henkersknechte abgeschnitten und auf dem Schinderkarren hinausgeführt auf den Hexenbrand und dort eingescharrt. Für das Lisbethchen aber hat der Pfarrer gebeten, und so haben sie's ehrlich begraben. Seine Mutter ist bald nach ihm auch gestorben, und sein Vater ist weggezogen.

Man soll an unserem Herrgott nicht irre werden – am allerwenigsten, wenn einem ein Bösewicht bange machen will.

 


 


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