Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Der Klosterschatz im Breitenstein

Zu Kriegszeiten versteckten die Benediktiner des Klosters Neustadt am Main ihre kostbaren Kirchengefäße an verschiedenen Orten, um sie vor den Feinden zu sichern. Sie ließen ein unterirdisches Gewölbe durch einen Maurer errichten, der zuvor zur größten Verschwiegenheit verpflichtet wurde, aber selbst den Eingang zu dem Gewölbe nicht wußte, weil er mit verbundenen Augen dorthin geführt und nach vollendeter Arbeit wieder mit verbundenen Augen aus diesem zurückgebracht wurde. Ein treuer Klosterdiener entdeckte zwar einst in der Nähe des Backofens eine Kiste von Eisenblech eingemauert, in der lauter blanke Taler enthalten waren, welchen Fund er dem Prälaten sogleich anzeigte, aber von den kostbaren heiligen Gefäßen, die noch vergraben sind, fand sich keine Spur.

In früherer Zeit hielt man sich nämlich innerhalb der Klostermauern vor dem Feind nicht sicher genug und ließ daher die Kostbarkeiten auf einen Wagen laden, zur Nachtzeit in Begleitung von Geistlichen in den Klosterwald führen an jene Stelle, wo die Grenzen der Waldabteilungen Hundshütte und Breitenstein aneinanderstoßen. Dort wurden dem Fuhrmann die Augen verbunden, der Klosterschatz wurde an einem nur den Geistlichen bekannten Ort vergraben, der Wagen aber auf einem anderen Weg nach Neustadt zurückgefahren. Dort liegt nun der Klosterschatz; Leute, die einen Erdspiegel haben, sehen ihn in einer Tiefe von 18 Fuß unter der Erde; alle Versuche, den Schatz zu heben, sind fruchtlos, denn nur ein Geistlicher ist imstande, den Segen darüber zu sprechen.

Oft schon bemerkten die Holzhauer beim Holzfällen einen großen viereckigen Stein, auf dem sogar lateinische Buchstaben sichtbar waren, so daß zu vermuten ist, unter diesem Stein liege der Schatz begraben; aber sobald sie mit anderen davon redeten und, um den Stein zu suchen, wieder in den Wald gingen, konnten sie den Platz nicht wiederfinden. In der Gegend wurde schon öfter bei hellem Tag Musik gehört, und des Nachts erschien ein schwarzgekleideter Mönch mit einem Bund Schlüssel und einem Buch.

Einst ging ein fremder Insektensammler durch den Wald, auf einmal bemerkte er einen glänzenden Gegenstand auf dem Boden; als er diesen aufhob, war es eine Goldborte, wie man sie an den Meßgewändern sieht, um ein Eichenstämmchen mehrmals herumgewickelt. Er nahm sie zu sich, zeigte sie mehreren in der Nähe wohnenden Förstern, die sogleich Nachgrabungen an jenem Platz, wo sie gefunden worden war, anstellen wollten, aber um keinen Preis mehr die Stelle finden konnten. Die Goldborte hat der Insektensammler in Würzburg verkauft – aber zur Hebung des Kirchenschatzes ist die Zeit noch nicht gekommen.

Ganz in der Nähe des Breitensteins, nämlich in Lichtenau im Spessart, wurde in den neunziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts aus Furcht vor dem Einfall der Franzosen in Deutschland der gesamte wertvolle Silberschmuck der Muttergottespfarrkirche zu Aschaffenburg verborgen; dieser ist bis heute nicht wieder zurückgekommen.

 


 


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