Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Der leidige Schuster

Von Ph. Zapf. Sage von Kulmbach aus dem Dreißigjährigen Krieg

        Was in so langen Kriegen verschonte Schwert und Brand,
Das sollte noch erliegen: die Pest nahm überhand.

Der Toten zuviel waren, begraben mußt' man doch,
Die Not lehrt neu verfahren: Man warf sie in ein Loch.

Ein Schuster ohne Sorgen schlief ein und ohne Not,
Krank ist er schon am Morgen, am Abend bleich und tot.

Er wird hinausgetragen, als er gestorben kaum,
Des Weibes trübe Klagen erfüllen den öden Raum.

Doch in des Kirchhofs Mauern im Totenloch erwacht
Er von des Scheintods Schauern und flieht in düstrer Nacht;

Und zu des Hauses Stufen gelangt in raschem Lauf,
Beginnt er laut zu rufen: »Mach auf, mein Weib, mach auf!«

Wie die den Ruf gehöret – o welch Entsetzen schwer! –,
Wie trippelt sie verstöret im Hause hin und her.

»Gespenster! Ach, Gespenster!« Sie ruft's und rennt hinaus –
Der Schuster kroch durchs Fenster und schlief behaglich aus.

Er war von Bahr' und Grabe zu Kräften bald erstarkt,
Da nimmt er früh die Habe und wandert auf den Markt

Und trägt an seinem Stecken die Stiefeln und die Schuh
Und zieht dem nahen Flecken mit frohem Singen zu.

Er holte unterwegen die Schuhkollegen ein,
Die sehn ihn an verlegen und fliehn mit lautem Schrein.

Und als er gar gekommen zu Markt an seine Stell',
Da wird Reißaus genommen von allen Schustern schnell.

Drum teurer viel und schneller verkauft' er seine War',
Man zog ab keinen Heller, weil er der einz'ge war.

Bald fertig mit dem Handeln und geldbeladen schwer,
So zog er, heimzuwandeln, des Weges froh daher.

Und hoch stand noch die Sonne, da war er schon zu Haus,
Zählt auf den Tisch mit Wonne die blanken Taler aus.

In ihrer Kammer horchte das Weib dem guten Klang,
Der machte die Besorgte bald frei von Angst und Bang'.

Mit Freudetränengüssen trat sie zu ihm hinein
Und rief wohl unter Küssen und bei des Silbers Schein:

»O ewiges Erbarmen! Daß ich dich wiederhab'!« –
Er rief: »In deinen Armen ist's wärmer als im Grab!«

 


 


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