Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Gründung des Klosters Wessobrunn

Von F. G. v. Pocci.

              Herr Tassilo besteigt das Roß,
Zu reiten in den Wald,
Will jagen dort mit seinem Troß,
Dieweil das Hörnlein schallt.

Er ziehet durch den grünen Hag
Und über Wiesen hin
Und pirschet froh den ganzen Tag;
Die Tierlein alle fliehn.

Das Rößlein schnaubet müd und matt
Und mäßigt seinen Trab,
Herr Tassilo, des Jagens satt,
Steigt von dem Sattel ab.

»Knecht Wesso, laß den Gäulen Luft,
Laß weiden sie im Tau;
Will rasten hier in Waldesduft
Und schaun ins Himmelsblau.«

Die Sonne senket ihren Lauf,
Es nahet sich die Nacht,
Dort steigt der Mond am Himmel auf
Und zeiget seine Pracht.

Herr Tassilo ruht mit dem Knecht
Auf grünem, samtnem Moos,
Und wahrlich schlummert er nicht schlecht
In dunkler Waldung Schoß;

Ein schöner Traum erquicket ihn,
Er sieht der Englein viel
Auf Himmelsleitern her und hin
Bewegen sich im Spiel.

Er sieht sie ziehn an einen Quell
Und schöpfen wohl daraus,
Das Wasser ist so rein und hell,
Die Englein trinken draus.

»O gebt ein Tröpflein nur auch mir,
Mich dürstet allzusehr,
Kredenzet Himmelslabung hier,
O höret mein Begehr'.«

So träumt' Herr Tassil' und erwacht:
»Knecht Wesso, sahst du's nicht?
Ich hatte in der heut'gen Nacht
Ein wunderbar Gesicht.

Und flöss' der Quell, den ich gesehn,
Auch in dem fernsten Land,
Ich wollte gerne zu ihm gehn
Zum Trunk aus hohler Hand.«

Da rauscht es plötzlich aus dem Stein
Und sprudelt durch das Moos:
»Fürwahr, ein Bächlein muß es sein,
Das gestern noch nicht floß!

Welch heil'ger Morgentrunk; wohlan,
Knecht Wesso, schöpfe nun!
Du schöpfst daraus der erste Mann:
Der Quell sei ›Wessobrunn‹.«

Der Knecht, er schöpft' – der Herzog trank,
Labt sich, als sei es Wein,
Und spricht: »Hier bau' ich Gott zum Dank
Ein frommes Klösterlein.«

Gelobt, getan; bald füget Stein
An Stein zum Baue man,
Die Mönche ruft das Glöckelein,
Und das war wohlgetan.

 


 


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