Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die Hand des Toten

Einer von Randeck hatte mit seinem Spießgesellen, einem Ritter von Leiningen, in Erfahrung gebracht, wie die Herren von Kloster Eußertal sehr kostbare Kirchengerätschaften in Mainz bestellt hätten. Sie erkundschafteten nun, wann diese abgeholt würden, und legten sich, als die Zeit gekommen war, in den Hinterhalt. Sorglos zogen die Klosterknechte des Weges, als plötzlich die Schar der Räuber aus ihrem Versteck hervorbrach, über die Bestürzten herfiel und sich mit leichter Mühe des ganzen Schatzes bemächtigte.

Indessen wurden die Täter bald bekannt, und es gelang sogar dem Bischof von Speyer, den von Randeck in seine Gewalt zu bekommen. Dieser bekräftigte jedoch mit einem Eid, er habe an dem Raub nicht teilgenommen, und er wurde daraufhin wieder freigelassen.

Nicht lange danach starb der Ritter und wurde vor dem Altar der Randecker Burgkapelle beigesetzt. Ein Grabstein mit seinem Bild und Wappen deckte, flach in den Boden eingefügt, seine Gebeine. Als aber der Burgkaplan am anderen Morgen früh die Kapelle betrat, war die Steinplatte geborsten, und die Hand des Verstorbenen ragte mit drei erhobenen Fingern – dem Anzeichen des Meineids – aus der Spalte hervor. Bestürzt eilte jener von dannen, den Burgherrn zu diesem Schauspiel herbeizuholen.

Darauf wurde die Hand des Toten abermals in den Sarg gelegt und der Grabstein wieder zusammengefügt. Am nächsten Morgen aber fand man die nämliche Erscheinung; am dritten Morgen desgleichen.

Da entschloß sich der Erbe des Toten, dem Kloster Eußertal die geraubten Kirchenschätze zurückzugeben und für den Verstorbenen fleißig beten zu lassen. Von demselben Augenblick, da dies geschehen war, fing die Hand über dem Stein sichtbar zu welken und zu sinken an, bis sie am anderen Morgen völlig verschwunden und die Spalte des Grabes spurlos geschlossen war.

 


 


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