Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Kunigundis und der Sonnenstrahl

Von Hornthal.

        Wie alle Tage pfleget,
Von Andacht tief beweget,
Die Kais'rin Kunigund,
So ging sie einstmals wieder
Zum Gotteshaus hernieder
In frühster Morgenstund'.

In rechter Lust zu beten
Zum Altar hingetreten,
Ihr Büchlein in der Hand,
Sie still aufs Knie sich neiget,
Dem höchsten Herrn sich beuget,
Zu ihm ganz hingewandt.

Und daß sie leichter wenden
Könn' mit den reinen Händen
Das fromm beschriebne Blatt,
Von ihren zarten Armen
Die Handschuh sich, die warmen,
Sie abgezogen hat;

Und weil noch nicht erschienen
Ein Sakristan, zu dienen
Wie sonst der hohen Maid,
Legt' sie zur Erd' sie nieder
Und betet still dann wieder
In tiefster Frömmigkeit.

Da dringt durchs Fenster helle
Ein Sonnenstrahl zur Stelle,
Wo ihre Handschuh ruhn,
Und von der Erd' sie hebend
Hält er sie beide schwebend,
Übt so des Dieners Tun.

Und als die Kais'rin endet
Die Andacht und sich wendet
Nach ihnen jetzt zurück,
Sieht sie vom Strahl gehalten
Sie in den Lüften walten –
Errötend sinkt ihr Blick:

Sie sieht im heiligen Zeichen,
Wie sich der Herr will neigen
In Gnaden auf ihr Haupt,
Und wie ihr winkt sein Lieben,
Weil Demut sie wollt' üben
Und stets an ihn geglaubt.

 


 


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