Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Der Graf von Pappenheim

Von Karl Ulmer.

            Zu Pappenheim im hohen Saale,
Da sitzt der alte Graf;
Die Lampe glimmt mit mattem Strahle,
Rings waltet tiefer Schlaf.
Der Alte nickt auf weichem Stuhle,
In Schlummer eingewiegt;
Die Tochter neben spinnt zur Spule,
Die Spille schnurrt und fliegt.

Es heult der Wind, es klirrt das Fenster,
Es schreit die Eule bang,
Und gleich, als hausten drin Gespenster,
Erhallt's den Saal entlang.
Tief unten wogt der Strom, es rauschet
Herauf aus finsterm Tal,
Und durch zerriss'ne Wolken lauschet
Der Mond mit bleichem Strahl.

Das Mägdlein bebt, der Ritter lächelt,
Es träumt der müde Greis;
Um die ergrauten Locken fächelt
Ein Lufthauch sanft und leis.
Die Tochter streicht die Silberhaare
Ihm still vom Angesicht,
Und auf dem Lieben ruht das klare
Und keusche Augenlicht.

Der Graf erwacht, sein Auge flammet.
»Hab' ich denn recht gehört?«
So ruft er: »Hat, der Nacht entstammet,
Ein Traum mich nur betört?
Wo ist die Mutter? – Wo sie säumet?
Sprich, hast du nichts gesehn?« –
Die Jungfrau sagt: »Ihr habt geträumt,
Es ist wohl nichts geschehn.«–

»Maria, geh und nimm die Harfe!
Stimm an den Lieblingssang!
Das alte Herz erquickt der scharfe,
Vertraute Saitenklang.«
Er spricht's; das Fräulein geht und bringet
Die schwere Harfe schnell
Und rührt sie, daß es rauscht und klinget,
Drein tönt die Stimme hell:

     
»Es zog von seinem Schlosse
Ein Graf zum Heil'gen Land,
Er zog auf stolzem Rosse,
Das Kreuz auf dem Gewand.

Er half das Grab befreien,
Er stritt voll kühner Glut;
Nur Liebe konnte feien
Des Helden tapfern Mut.

Er war allein gezogen
Zur festen Burg hinaus,
Doch kam auf Meereswogen
Mit ihm ein Weib nach Haus.

Es fiel ihr schwer und bitter,
Vom Mutterland zu fliehn,
Doch folgte sie dem Ritter,
Denn Liebe hieß sie ziehn.

Die Blume beugte nieder
Des Nordens eisig Wehn;
Nach Morgen trieb sie's wieder,
Der Heimat Licht zu sehn.

Da ist sie einst verschwunden
Hinweg von Kind und Mann
Und ward nicht mehr gefunden,
Obschon manch Jahr entrann.«
 

Das Mägdlein schließt mit zagem Munde,
Leis schwirrt der Harfe Strang,
Da summt die mitternächt'ge Stunde
Vom Turme dumpf und bang.
Im Vorgemach ertönt ein Schallen
Von Tritten, leicht und lind,
Und knisternd weht es durch die Hallen
Wie kühler Morgenwind.

Es knarren auf die Pforten schnelle,
Es lischt der Lampe Schein,
Da schwebet rasch zur offnen Schwelle
Ein Frauenbild herein.
Ein weiß Gewand umfließet schimmernd
Das milde, blasse Weib,
Und hehres Licht entströmet flimmernd
Dem geisterhaften Leib.

Der Graf erstarrt. Sie naht und winket
Mit zarter Hand ihm zu.
Er sieht's, erhebt sich, schwankt und sinket:
»Bist's du's, o Agnes, du? –
Leb wohl, mein Mägdlein!« ruft er, haltend
Sein Kind ans morsche Herz,
Und drückt es sanft und schließt erkaltend
Die Augen ohne Schmerz.

Die Jungfrau, zitternd, hält umfangen
Den still erblichnen Greis,
Und Tränen tauen auf die Wangen
Des Vaters, viel und heiß.
Da legt die Mutter, glanzumwoben,
Die Hand aufs treue Kind
Und lächelt mild und zeigt nach oben,
Dann flieht sie luftgeschwind.

 


 


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