Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Der Kaiser im Guckenberg

Bei Gemünden am Main.

Bei Gemünden liegt der Guckenberg; von diesem geht die Sage, daß vor langen Zeiten ein Kaiser mit seinem ganzen Heer in ihn versunken sein soll. Nun sitzt er darin an einem steinernen Tisch, und wenn sein Bart dreimal um den Tisch gewachsen ist, so wird der Kaiser mit all seinen Wappnern wieder hervortreten.

Einstmals kam ein armer Knabe auf den Berg, der in der Gegend Semmeln zum Verkauf trug, und traf dort einen steinalten Mann an, der sprach freundlich mit dem Knaben; dieser klagte ihm sein Leid, daß er so wenig verkaufen könne, und sein Verdienst so gering sei. Da sprach der Alte: »Höre, Kleiner, ich will dir wohl einen Ort zeigen, wo du alle Tage soviel Wecken verkaufen kannst, als du zu tragen imstande bist; aber du darfst beileibe niemandem etwas davon offenbaren.«

Darauf führte der alte Mann den Buben in den Berg hinein, und es war im Berg wie in einer großen Stadt, und gar reges Leben war darin. Viele Leute trieben Handel und Wandel, andere gingen in die Kirche, noch andere hielten einen Bittgang. Und an einem Tisch saß der Kaiser gewaltig, und sein langer Bart war schon zweimal um den Tisch gewachsen. Dahin brachte nun tagtäglich der Knabe seine Semmelwecken und empfing dafür uraltes Geld.

Da aber nun in seinem Ort davon bald zuviel umlief, wurden die Leute stutzig, mochten es nicht mehr annehmen und drangen endlich in den Jungen, zu sagen, wo er dieses alte Geld bekäme. Da offenbarte er seinen ganzen Handel. Ein junger Freund von ihm drang sich ihm nun beim nächsten Berggang zum Begleiter auf, um des Guckenbergs innere Herrlichkeit auch wahrzunehmen; allein der Semmelbube fand nicht nur den Eingang nicht wieder, sondern nicht einmal den Berg, und die ganze Gegend kam ihm anders und schier verwandelt vor.

 


 


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