Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die Wäscherin an der Kreden

Kunigundis bewahrte auch im Ehestand ihr Jungfrautum. Das verdroß aber den Bösen, und er wußte der frommen Frau mit allerhand Listen Nachstellungen zu bereiten. So geschah es, daß verleumderische Zungen das Gerücht in Umlauf setzten, die Kaiserin, die ihrem Gatten gegenüber die Reine spiele, unterhalte insgeheim ein unerlaubtes Verhältnis mit einem Ritter. Diese schändliche Nachrede konnte nicht lange verborgen bleiben, endlich kam sie sogar zu den Ohren der Verleumdeten. Aber die edle Fürstin ereiferte sich nicht darüber, sondern ertrug solche Prüfung mit wahrer Geduld und Sanftmütigkeit.

Eines Tages ging sie mit ihrer Kammerzofe vom Domberg hinab gegen den Fluß spazieren. Es war ein schöner Sommertag, und der blaue Himmel spiegelte sich gar herrlich im Strom, der wie ein Silberstreifen weithin durch grüne Auen dahinzog. Die Fürstin erfreute sich des schönen Anblicks und blieb ein Weilchen auf der Brücke stehen, die den Namen »An der Kreden« führt, um das liebliche Bild noch länger zu betrachten.

Nun waren ganz nahe der Brücke soeben Wäscherinnen beschäftigt, ihre Wäsche an den Büschen am Ufer aufzuhängen. Als diese die Fürstin stehen sahen, fingen sie an, einander in die Ohren zu planschen, auch wohl lächelnd mit den Fingern auf die Kaiserin hinzudeuten; ja eine von ihnen flüsterte ihrer Nachbarin zu: »Siehst die Ehebrecherin?«

Kaum war dieses Frevelwort erklungen, als die heilige Frau, die es vernommen hatte, erblaßte und, eine Träne im Auge, ihrer Zofe winkte, umzukehren. Als sie zurück in die Burg gekommen war, ließ sie den Schaffner rufen und befahl diesem, einen Korb mit Brot und etlichen Krügen Wein den Wäscherinnen an der Brücke mit den Worten zu überbringen: »Von der Ehebrecherin.«

Wie erstaunten aber die Mägde, als der Schaffner seine Gaben aus dem Korb hervorlangte und ihnen den Gruß der Kaiserin überbrachte. Beschämt und dankend nahmen sie Brot und Wein, und auch diejenige, die das Lästerwort gesprochen hatte, war nicht faul, ein Krüglein anzusetzen; aber – o Wunder! – während die anderen den besten Wein verkosteten, ergoß sich das reinste Wasser in ihre Kehle. Noch mehr: Als sie nach dem Brot langte, um ein Stücklein davon abzuschneiden, hatte sie Stein in den Händen.

So geschah es damals zur Reinigung der Heiligen, und so hat es die Sage bis auf diesen Tag aus dem Munde des Volkes berichtet.

 


 


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