Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die Heidenburg

Von Chr. Böhmer. – Die Heidenburg, südöstl. von Wolfstein.

              Um den Berg der Heidenburg tobt der Stürme lose Wut,
Unten in dem grünen Tal träumt ein Mägdlein, arm und gut;
Einsam steigt sie auf den Berg, drauf die Heidenburg gestrahlt,
Den nun deckt ein Rasengrün, reich von Blumenglanz bemalt.

Ferne diesen Blumen steht eine Schlüsselblum' allein,
In dem Zwielicht eines Hains leuchtend wie im Zauberschein.
Und das arme Mägdlein schaut sehnend sich die Blume an:
»O daß du der Schlüssel wärst, der den Berg mir öffnen kann!

Hat die Alte doch erzählt, daß der Berg von Schätzen voll,
Daß ihn eine Schlüsselblum' öffnen und verschließen soll.
Wenn du wärst die Schlüsselblum'! Nur nach wen'gem steht mein Sinn,
Daß des Liebsten Vater mich nicht mehr schilt: ›Die Bettlerin!‹«

Und die Schlüsselblume strahlt wie in reinsten Goldes Pracht,
Und ein Schlüssel glänzt im Gras – und das Mägdlein ist erwacht.
Mitternacht ist's, rasch verläßt sie die Hütte arm und klein,
Vor der Tür, da leuchtet's ihr von dem Berg wie Sternenschein.

Wie ein Reh mit raschem Sprung steht sie oben – wunderbar!
Wie im Traum, so glänzet dort Schlüsselblume golden klar;
Und sie bricht die Blume schnell und – ein Schlüssel ist's von Gold,
Drauf geschrieben steht das Wort: »Hilfsbedürft'gen bin ich hold.«

Und sie windet durchs Gebüsch sich zur Höhle tief versteckt,
Und entgegen rauscht ihr wild schwarz Getier, vom Glanz geschreckt,
Denn der Schlüssel leuchtet hell wie ein Licht im finstern Schlund,
Zeigt den Weg ihr bis zum Tor in der Höhle tiefstem Grund.

Und der Schlüssel hat das Schloß kaum berührt, da kracht das Tor –
Wie unzähl'ger Sonnen Licht strömt ein Wunderglanz hervor. –
Welch ein Tempel prächtig weit! Wie von Lampen schön erhellt!
Eine Nacht ist's, hell im Licht ungeheurer Sternenwelt.

Und vom Golde glänzt und strahlt, was das Auge nur erspäht,
Diamanten sind die Sterne auf den Wänden hingesät.
Ihre Augen schließt die Maid, schwindelnd ob der Zauberpracht;
Was nimmt sie von alledem, was ihr hier entgegenlacht?

»Nehm' ich«, denkt sie, »was ich kann – denn den Schlüssel hab' ich ja;
Kann ja kommen, wenn ich will –, nehm' ich jetzt vom Golde da.«
Und den Schlüssel legt sie dort auf den Tisch von Demantstein;
Eine Stimme ruft ihr leis: »Denke deines Schlüssels fein!«

In des Goldes Haufen greift nun entzückt das Töchterlein,
Was die Schürze fassen kann, füllt die Hochbeglückte ein.
Und sie sieht als Königin sich schon wohnen im Palast,
Vornehm auf den Liebsten schaun, der vor ihr als Knecht erblaßt.

Und der Schulz, der sie geschmäht, daß sie eine Bettlerin,
Muß den stolzen Rücken ja beugen vor der Königin;
Oben auf der Heidenburg baut sie sich ein stolzes Schloß,
Geld hat sie, soviel sie will, unten in des Berges Schoß.

Sieh – da schaut sie plötzlich sich in des Goldes Spiegel an;
Ach, als Betteldirne sieht sie darin sich angetan.
»Warte«, denkt sie, »du machst mir bald ein anderes Gesicht.«
Schleppt die Last hinaus, wo sie zitternd dann zusammenbricht.

Donnernd schließet sich das Tor, daß sie bleich zusammenfährt
Und der große Schrecken rasch ihre volle Schürze leert,
Und wie Feuer in der Flut, so verglimmt des Goldes Schein
In dem finstere Grund und sinkt tief in Schutt und Sumpf hinein.

Bitter weint sie, da gedenkt freudig sie des Schlüssels jetzt,
Doch daß sie zu spät dran denkt, daran denkt sie dann entsetzt.
Traurig suchet sie den Weg zu des Tages goldnem Licht,
Das der Armen mild und hell strömt ins kalte Angesicht.

Wie im Traum, so wandelt sie einsam durch der Menschen Schwarm,
Harrt, ob wiederkehrt ihr Traum, elend, unstet, still und arm;
Klagend um die Schlüsselblum' wallt sie dann, von Wahnsinn bleich;
Suchend wallt ihr Schatten noch durch des Heidenbergs Gesträuch.

 


 


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