Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Walther von der Vogelweide (2)

Von J. B. Goßmann.

                  Von allen Künsten steht doch obenan
Die wunderbare Kunst der Lieder!
Und warst du ihr nur einmal zugetan,
Du kehrst zu ihr beständig wieder,
Wie sehr dich sonst des Lebens ernster Plan
Auch zieht zum Troß des lauten Tages nieder.

Du singst und singst – und singst dir nicht genug,
Du wirst es stets von neuem inne:
Es ist ein unaussprechlich süßer Zug,
Ein Zauber, der bestrickt die Sinne,
Gleich jenem, der dich zu den Sternen trug
Im jungen Lenze deiner ersten Minne.

Was kümmert dich die Welt mit ihrem Gold,
Du trägst dein Glück im eignen Busen.
Dem ist von jeher Plutus selten hold,
Wem hold die Grazien und Musen;
Du brauchst dich nur auf ihren Ehrensold
Und nicht auf andern, fremden Sold zu fußen.

Hat Mit- und Nachwelt dein Gesang erfreut,
Dann ehren dich mit Kränzen beide.
So ward sein Denkmal ehrenvoll erneut,
Daß es die Ruhestätt' ihm kleide,
Die Würzburgs altehrwürd'ger Münster beut
Dem edlen Walther von der Vogelweide.

Der zog als Jüngling wohlgemut davon
Und sucht' sein Glück in weiter Ferne,
Er wandert' von Paris nach Babylon,
Damit er allwärts Weisheit lerne;
Konstantinopel beut' den Musensohn
Und Bagdads Himmel seine schönsten Sterne.

Er sah zu ihnen auf mit heil'ger Brunst,
Mit offnen Augen, offnen Ohren.
Zu Wien erlernt' er seine Liederkunst –
Doch nein! – die war mit ihm geboren!
Wem nicht als Säugling ward der Musen Gunst,
Auf ewig ist und bleibt sie dem verloren.

Dann kehrt' er von dem Wanderleben heim
Nach langer Fahrt im Meer voll Klippen;
Da floß ihm süß, wie Bienen ihren Seim
Aus tausend Blumenkelchen nippen,
In manchem Bild und manchem süßen Reim
Der Weisheit Honig von den Sängerlippen.

Willkommen hieß er freudig überall,
Wo er die Saiten ließ ertönen;
Die Ritter horchten seiner Laute Schall,
Mit tränenfeuchtem Aug' die Schönen,
Die dann in ihres Herzens Überschwall
Mit manchem Kranz den edlen Sänger krönen.

Er sang in heiligem Begeistrungsstrom
Vom lieben deutschen Vaterlande
Und von des Himmels ewig blauem Dom
Und von der Minne süßem Bande;
Nicht in der Sprache von Athen und Rom –
Deutsch singen bracht' ihm Ehre, keine Schande.

Er sang so manchen Ritters Heldentat
Und sang die Blümchen auf der Heide,
Der Tugend Ruhm, ob Lumpen sind ihr Staat,
Dem Laster Spott auch im Geschmeide;
Denn wie das Leben vor den Blick ihm trat,
Er schmückt' es mit des Liedes leichtem Kleide.

Dort auf der Wartburg in dem Sängerchor,
Von dem die Sage viel berichtet,
Dort trat auch er mit manchem Lied hervor,
Das er in heil'ger Glut gedichtet;
Und seinen Tönen lauschte jedes Ohr,
Und ruhmvoll ward der edle Streit geschlichtet.

Dann sang er von der Schmach der Christenheit,
Aus trägem Schlaf sie zu ermannen,
Daß sie bekämpften dort im heil'gen Streit
Die Macht der Türken, der Tyrannen,
Bis Christi Grab von ihrer Wut befreit,
Er selbst auch nahm das Kreuz und zog von dannen! –

O ständ' er heute doch noch einmal auf,
Sein Lied von neuem zu beginnen!
Verändert hat sich jetzt der Zeiten Lauf,
Nun wär' es leichter zu gewinnen;
Kein Schwert – ein Wort bedingte jetzt den Kauf –
Schmach denen, die sich um das Wort besinnen! –

Sein Fuß beschnitt mit Andacht jeden Ort,
Den einst in Knechtsgestalt beschnitten
Der Gottessohn, das fleischgeword'ne Wort,
Und wo er hat für uns gelitten.
Lang weilt' er an dem heiligen Grabe dort,
Ein selig Sterbestündlein zu erbitten.

Und als er endlich wieder heimgekehrt
Nach fast unzähligen Beschwerden,
Da fühlt er tief, was Salomon schon lehrt:
Wie eitel alles ist auf Erden.
Und er beschließt, von frommer Glut verzehrt,
Am Lebensabend Klausner noch zu werden.

Und dort, wo einst des heil'gen Kilian
Unschuldig Märtyrblut geflossen,
Hat eine Zelle sich ihm aufgetan
Bei andern frommen Chorgenossen
Und hat ihn so nach selbstgewähltem Plan
Vom eitlen Tun der Menschen abgeschlossen.

Mit frommen Werken bringt er hin den Tag,
Die Nacht mit mancher strengen Buße,
Liegt auf den Knien beim Abendglockenschlag
Und morgens bei dem Engelgruße;
Doch wie er fasten auch und beten mag,
Dabei verläßt ihn nie die treue Muse.

Er singt sein Lied der Himmelskönigin
Im Büßerkleide statt in Seide;
Und wenn im Hof ein Vögelein erschien,
Ob her vom Wald, ob von der Heide,
Dann streut er ihm die besten Körnlein hin,
Der fromme Walther von der Vogelweide.

Und als nun ihrer alle Tag genug
Im Gärtlein dort zusammenkamen,
Sie alle hörten, wann die Glocke schlug,
Wo ausgestreuet ward der Samen,
Da pickten ihm wohl auch im Niederflug
Aus seiner Hand das süße Korn die Zahmen.

Sein Testament, das schrieb er endlich so:
»Die Seele Gott, den Leib der Erde!
Die Teilung macht, und dessen bin ich froh,
Im übrigen mir nicht Beschwerde;
Doch wünscht' ich, wenn ich einst dem Staub entfloh,
Daß noch mein Sängerschwarm gefüttert werde!«

War ihm doch fast, indem er weiterschrieb,
Als ob um ihn manch Vöglein weine.
»Das Wen'ge nehmet, was mir übrigblieb,
Ich habe sonst der Erben keine,
Und füttert mir, ich hab' sie gar so lieb,
Die Vögelein auf meinem Leichensteine!«

Er schrieb's und griff ins volle Saitenspiel –
Wie heute hat's ihm nie geklungen,
Denn ach, der edle Sänger steht am Ziel
Und hat sein Schwanenlied gesungen. –
Wenn dir nun, was er sang und tat, gefiel,
Dann, Dichter, auf und kühn ihm nachgerungen!

 


 


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