Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Sankt Ulrich, der Versöhner

Von J. B. Hubmann, nach Jörg Breining.

        Man sagt und singt viel fromme Mären
Von Sankt Ulricus wunderbar,
Der einst in Augsburg Gott zu Ehren
Ein tugendreicher Bischof war.

Wohl nirgends lebte seinesgleichen
An Weisheit und an frommer Art;
Durch mannigfache Wunderzeichen
Hat Gott durch ihn sich offenbart.

Einst lud den frommen Seelenhirten
Ein Graf zum Mahle bittend ein:
»So gerne möcht' ich Euch bewirten
In meiner Burg mit edlem Wein.«

Er bat so heiß, er bat so dringend,
Und Sankt Ulricus stimmte ein:
»Mit Gott – es möge Segen bringend
Für Euch und mich das Jawort sein.«

Geladen war zum hohen Feste
So mancher edle Rittersmann,
Es setzten sich herum die Gäste
An reicher Tafel wohlgetan.

Und wie die Herrn im hohen Saale
Bei guter Speis' und süßem Wein
Sich weidlich laben an dem Mahle,
Da tritt ein Weib zur Tür herein

Mit abgehärmten, bleichen Wangen,
Mit nassem Aug', doch edlem Leib',
Sie kommt so still hereingegangen,
Des Grafen schönes, junges Weib.

An ihrem Halse hing gebunden
Ein Totenschädel graus und kahl
Und an der Türe bei den Hunden
Verzehrte sie ihr Jammermahl.

So trug sie wohl den Schädel kläglich
Ein ganzes Jahr in bittrer Not;
So aß sie mit den Hunden täglich,
Ihr Bestes war nur Gerstenbrot.

Als Sankt Ulricus ihre Strafen,
Ihr Leid und ihren Gram gewahrt,
Da fragt er tief besorgt den Grafen:
»Was büßet Euer Weib so hart?« –

»Die Buhlerin – sie hat die Ehe
Mit einem Ritter frech entweiht;
So mag sie tragen denn ihr Wehe
Und büßen ihre Lust mit Leid.

Sie soll den kahlen Schädel tragen
Des Buhlen, der sie hat entehrt;
Den Buben selber hat erschlagen
Mein blankes, gutes Ritterschwert.«

Sankt Ulrich sprach mit milder Würde:
»So wußtet Ihr gewiß und wahr,
Daß er sie frevelnd Euch verführte,
Und daß sein Leben sträflich war?«

Der Graf entgegnet fast verlegen:
»Mir ward die Tat von Freunden kund;
Wie sollt' ich da noch Zweifel hegen,
Wo mir geschworen Freundesmund?«

Da schaut mit wehmutsvollem Blicke
Der Bischof nach dem Himmel auf;
Nicht länger hält sein Aug' zurücke
Der heiß entquellten Tränen Lauf.

Er eilt vom Mahle fort zur Stelle,
Nach anderm Orte zieht es ihn;
In Gottes heiliger Kapelle,
Da liegt er flehend auf den Knien.

Schon ist verstrichen eine Stunde,
Der Heil'ge fleht zu Gott um Licht,
Ob man des Grafen Weib mit Grunde
Der Sünde zeihe oder nicht.

Nun kehrt er wieder, segnet alle,
Die Gräfin weinend auf ihn schaut;
Da tönet plötzlich durch die Halle
Des Totenschädels Stimme laut.

Wohl schrecklich tönt es an den Grafen:
»Wie konntest du so fürchterlich
Die tugendreiche Gräfin strafen?
Gerecht bestraftest du nur mich!«

Das Schreckenswort erfüllt mit Schauer
Und Grauen alles ringsherum,
Und alles starrt in tiefer Trauer,
Hin sinkt der Ritter bleich und stumm.

Doch bald hat er sich aufgerungen
Und mit dem Weibe sich vereint;
Er hält die Edle fest umschlungen
Und löst den Schädel ab und weint.

»Gepriesen sei des Himmels Lenkung!
O kannst du, Reine, mir verzeihn,
Vergeben solche Schmach und Kränkung?
Dann wird auch Gott mir gnädig sein!«

Da zog mit freudig süßem Leben
Ans Herz die Engelreine ihn:
»So bist du wieder mir gegeben,
So bist du mein für immerhin!

Gott möge dir und mir verleihen
Des Himmels volle Seligkeit
Und gnädig jedem so verzeihen,
Wie deine Gattin dir verzeiht.«

 


 


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