Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Der beleidigte Storch

Als das Rathaus mit seinem hohen schlanken Turm fertig war, fand sich auch bald ein Paar Störche ein, das sich auf der Spitze ein Nest erbaute; denn von dieser Höhe aus ließ es sich gar gut in die weite Luft hinausschwingen. Wenn nun der eine Wächter hinaus auf des Turmes Steinkranz stieg, um in die Gegend nach Feinden und Gefahren zu schauen, so hatte er stets seine Freude an den Tieren. Des anderen Wächters schlimmes Weib aber, das mit ihm zuoberst auf dem Turm wohnte, verdroß die Unreinlichkeit der Vögel gar sehr; und als sie erst Junge ausgebrütet hatten, die zuweilen eine halbe Schlange oder eine Kröte auf den Kranz fallen ließen, da reizte sie ihren Mann an, die jungen Tiere hinabzustoßen.

Alsbald kam der alte Storch mit einem Feuerbrand im Schnabel geflogen, den er in sein Nest warf. Das Feuer fiel vom Nest herab auf den Turm, und das dürre Holzwerk geriet schnell in Flammen. Der böse Wächter vermochte nicht zu entrinnen und verbrannte samt seinem Weib; der fromme hingegen stieg auf eines der alten Steinbilder hinaus, die man noch sieht, und rettete mit Mühe sein Leben. Das Innere des Turms brannte gänzlich aus, doch erhielten sich die festgefügten Mauern bis auf den Steinkranz, an dessen Stelle ein eiserner kam.

 


 


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