Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Ritter Tuschl von Söldenau

Die Pfarrkirche zu Vilshofen gehörte vormals zu einem Chorherrenstift, das Ritter Heinrich Tuschl von Söldenau im Jahre 1376 stiftete. Auf einem Stein der Kirche las man die Worte:

Ein Gamsel auf dem Stain
lockt mich in Wald hinein,
zway Hund' an ain Bain;
ich Tuschl bleib allain.

Die Veranlassung dieser Aufschrift erzählt die Sage. Heinrich Tuschl von Söldenau diente als tapferer Degen und getreuer Held viele Jahre hindurch dem Sultan von Ägypten. Schon vorgerückt in Jahren, kehrte er nach Bayern zurück, reich an Ehren und mit Geld und Gut beglückt. Da kam ihm in böser Stunde der Gedanke, sich in seinen alten Tagen in den heiligen Ehestand zu begeben. Ein armes, schönes Fräulein aus dem Vilstal, Annerl von Aheim, hatte es ihm angetan. Zum Unglück fand die junge Frau an dem von Tag zu Tag alternden Tuschl kein Wohlgefallen, während ein junger Edelknabe ihre Liebe gewann.

Als nun eines Abends Herr Tuschl von der Jagd heimkam, fand er weder Weib noch Edelknaben im Schloß, auch konnte niemand ihm sagen, wo sie hingekommen waren. Noch hegte der arglose Ritter keinen Verdacht, sondern glaubte, ein böser Feind habe ihm das Kleinod seines Herzens geraubt. Also griff er zum Pilgerstab und durchwanderte, die Entführte suchend, schier das ganze Abendland.

Drei Jahre waren vergangen, als er eines Tages in einem welschen Städtlein einkehrte. Hier beschloß er zu rasten und seine zerrissenen Schuhe flicken zu lassen. Er trat in eine Werkstätte; aber wie wurde ihm zumute, als er in dem rüstigen Schuster seinen Edelknecht Günther erkannte und in der Frau des Hauses sein lange gesuchtes Annerl von Aheim. Jetzt erkannte er den schändlichen Verrat und gedachte im gerechten Zorn das treulose Paar mit dem Stock niederzuschmettern; doch schnell besann er sich eines Besseren und ging schweigend und unerkannt von dannen.

Nach seiner Rückkehr ins Vaterland gründete er das Stift zu Vilshofen, ließ alle seine Waffen und Hausgeräte mit der Aufschrift »Allain« bezeichnen und verblieb allein bis an das Ende seiner Tage. Die Chorherren des Stiftes trugen zu Ehren ihres Wohltäters das Wort »Allain« in ihr Kleid eingenäht.

Nach einer abweichenden Sage hatte Tuschl sein Weib Untreue halber lebendig einmauern lassen, ein Schuster hatte sich aber unterirdisch zu ihr durchgegraben und sie befreit, worauf beide vor dem Zorn des Ritters nach Welschland entwichen.

 


 


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