Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Das Totenmahl zu Scheyern

Als Scheyern, Wittelsbachs Wiege, dem Sturm der Säkularisation erlag, ging auch der altehrwürdige Brauch zu Grabe.

        Zu Scheyern hallt im Klostergang
Das Cönaglöckchen wieder
Und ruft zum Mahl mit hellem Klang
Die gottgeweihten Brüder.

Schnell tun sich auf im weiten Kreis
Des Klosters stille Zellen,
Die Brüder all, bald laut, bald leis,
Zum Mittagsmahl sich stellen.

Da tritt ins Refektorium
Mit Pektoral und Kette
Der Abt – die Brüder harren stumm –.
Er winket zum Gebete.

Tief tönt das Benedicite,
Und betend stehn die Brüder,
Das Herz erfüllt ein seltsam Weh,
Bang senkt der Blick sich nieder.

Und als zu Ende das Gebet,
Setzt jeder sich zum Mahle;
Der Lektor liest, der Wärter geht,
Bringt Speisen nach dem Saale.

Doch sonderbar! – Noch unbesetzt
Am Tisch ist eine Stelle;
Wer ist der Säum'ge, der zuletzt
Erst kömmt wohl aus der Zelle?

Und warum ist für ihn allein
Gedeckt mit schwarzen Linnen?
Und gar noch roter Kerzenschein,
Ein Kreuzbild mitten innen?!

Still öffnet jetzt die Pforte sich,
Und blaß – wie aus dem Grabe –
Naht scheu, gebückt und kümmerlich
Ein Greis an seinem Stabe.

Ein Bettler ist's. – Der Abt berief
Ihn Brunos statt zur Stelle,
Denn Bruder Bruno ruhet tief
In dunkler Grabeszelle.

Und so geschah es dreißigmal
Nach jedes Bruders Scheiden:
Es half der Dankestränen Zahl
Die ew'ge Ruh bereiten.

 


 


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