Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Hessenthal

Von J. B. Goßmann.

            Sechs Tage sind genug für eitle Plage,
Der Sonntag sei geweiht zum Ruhetage!
O laß an dem durch kein Geschäft dich stören,
Wie sehr dich auch des Lebens Sorge quält,
Das Wort des Herrn mit Andacht anzuhören,
Und merke, was die Sage dir erzählt.

Im Spessart ist ein altes Dorf gelegen,
Von Wäldern eingeschlossen: Hessenthal.
Es lebt dort vor langer Zeit einmal
Ein gottlos Weib, das trotzig und verwegen
Entgegenstrebte Gottes Gnadenstrahl,
Doch nun dafür erduldet lange Qual.

Das hehre Pfingstfest war herangekommen,
Zum Gotteshause hat den Weg genommen
Im ganzen Dörflein alles; jung und alt,
Eh' noch der letzte Glockenton verhallt,
Auf daß ein jeder mit den Hausgenossen
Des großen Heiles auch teilhaftig werde,
Das heute sich vom Himmel hat ergossen
In Flammenzungen auf den Ball der Erde.
Sie aber stand verstockt an ihrem Herde
Und kocht' im Wasser aus dem nahen Bronnen
Das Garn, das emsig ihre Hand gesponnen.
Schon hat das Hochamt feierlich begonnen,
In herzerhebendem Gesange preist
Die fromme Herde Gott: den Heil'gen Geist,
Den Sohn und Vater. Still wird's wiederum –
Der Priester singt das Evangelium;
Die Glocke ruft's hinaus mit lautem Ton,
Erschüttert wird die Arge nicht davon,
Die mit dem Bösen schon sich hat verschwistert;
Ihr Kessel brodelt, ihre Flamme knistert,
Von neuem schürt sie. – Und von neuem drang
Zu Ohren ihr der hellen Glocke Klang,
Verkündigt Wald und Flur die heil'ge Handlung,
Des Brots und Weines wundervolle Wandlung;
Sie kniet nicht nieder, klopft nicht schuldbewußt,
Um Gnade flehend an die sünd'ge Brust,
Bekreuzt sich nicht an Stirne, Herz und Mund,
Sie betet nicht – da braust es plötzlich – und –
Sie sinkt mit ihrem Kessel in den Grund.

Wie nun die Kirchengänger heimgekommen,
Da haben sie die Höhle wahrgenommen,
Die heute noch daselbst ein jeder sieht,
Der durch das Dörflein seines Weges zieht,
Und haben ob des Kochens sich verwundert,
Das aus der Höhle kam und dauern mag,
Bis daß erscheinen wird der Jüngste Tag,
Weil's schon gedauert mehr als ein Jahrhundert.
Gar mancher Taube, der hinübereilt'
Und gläubig betend an der Höhle weilt'
Am heil'gen Pfingstfest – wurde schon geheilt. –

Sechs Tage sind genug für eitle Plage,
Der Sonntag sei geweiht zum Ruhetage!

 


 


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