Alexander Schöppner
Bayrische Sagen
Alexander Schöppner

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Die Hexe des Attila

Von Schöppner.

            Durch des deutschen Landes Gauen
Brauset Etzels wildes Heer,
Schäumend gleich der Brandung Wogen,
Zahllos wie der Sand am Meer.

Gegen Augsburg wälzt die Horde
Mordbegierig sich heran,
Gleich dem Lavastrome sengend,
Was sie trifft auf ihrer Bahn.

An des Lechs Gestade lagert
Sich des Hunnenkönigs Schar,
Und von Stund' zu Stunde dräuet
immer näher die Gefahr.

Schon durchstöhnet Augsburgs Gassen
Ein entsetzlich Klaggeschrei,
Gleich, als ob des Weltgerichtes
Großer Tag gekommen sei.

Auf den Knien fleht die Menge
Um Errettung von dem Tod,
Doch zu raten zeigt sich keiner
Noch zu retten aus der Not.

Sieh! Da naht ein häßlich altes,
Grauenvolles Mütterlein,
Weniger ein lebend Wesen
Als Skelett von Haut und Bein.

»Was verzagt ihr, feige Seelen?
Euch zu helfen bin ich da!
Bringt mir einen alten Klepper,
Und ich schlag' den Attila!«

Schleunig war der Gaul gefunden,
Und sie schwingt sich nackend drauf;
Nach dem Heer des Hunnenkönigs
Richtet sie des Kleppers Lauf.

Nackten Leibes, bleich und hager
Hängt das grauenvolle Weib
Auf der Mähre, und es fliegen
Schlangenhaare um den Leib.

Aus den hohlen Augen grinset
Das Entsetzen selbst hervor,
Und die Krallenhände recken
Mordbegierig sich empor.

Also nimmt das Volk der Hunnen
Jetzt die nackte Hexe wahr;
Hu, wie fährt es durch die Glieder,
Sträubt zu Berge sich das Haar!

Alles rennet, rettet, flüchtet,
Durcheinander Mann und Roß,
Wie vom Wirbelwind ergriffen
Fleucht des Hunnenkönigs Troß.

Was kein Heldenschwert vermochte
Wider Etzel in der Schlacht,
Hat zu Augsburg eine Hexe
Heldenmütig einst vollbracht.

Darum sei der wackern Hexe
Angedenken hoch und wert
Und von Männern wie von Frauen
Augsburgs heute noch geehrt.

 


 


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